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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Und doch will ich dem Leser meine Qualen oder Sieben Worte am Kreuze sagen, wiewohl er selber mich an das Kreuz, unter welchem er mich bedauern will, hat schlagen helfen. Im Grunde fragt kein Teufel viel nach meinem Siechtum. Ich sitze hier und stelle mir aus unvergoltener Liebe zum Leser den ganzen Tag vor, daß Feuer kann geschrien werden, das gleich einem Autodafé alle meine biographischen Papiere in Asche legt und vielleicht auch den Verfasser. – Ich stelle mir ferner vor und martere mich, daß dieses Buch auf dem Postwagen oder in der Druckerei so verdorben werden kann, daß das Publikum um das ganze Werk so gut wie gebracht ist, und daß es auch nach dem Druck in ein Herzhaus und eine Marterkammer geraten kann, wo ein kritischer Brotherr und Kunstrichter-Ordengeneral seine Rezensenten mit ihren langen Zähnen sitzen hat, die meiner zarten Beata und ihrem Amanten Fleisch und Kleider abreißen und deren Stube jener Stube voll Spinnen gleicht, die ein gewisser Pariser hielt und die bei seinem Eintritt allemal auf seine ausgezognen blutigen Taubenfedern zum Saugen von der Decke niederfuhren und aus deren Fabrikaten er mit Mühe jährlich einen seidnen Strumpf erzielte…. Alle diese Martern tu’ ich mir selber an, bloß des Lesers wegen, der am meisten verlöre, wenn er mich nicht zu lesen bekäme; aber es ist diesem harten Menschen einerlei, was die ausstehen, die ihn ergötzen. – Hab’ ich endlich meine Hand von diesen Nägeln des Kreuzes losgemacht: so ekelt mich das Leben selber an als ein so elendes langweiliges Ding von Monochord, daß jedem Angst werden muß, ders ausrechnet, wie oft er noch Atem holen und die Brust auf- und niederheben muß, bis sie erstarret, oder wie oft er sich bis zu seinem Tode noch auf den Stiefelknecht oder vor den Rasierspiegel werde heben müssen. – – Ich betrachte oft die größte Armseligkeit im ganzen Leben, welche die wäre, wenn einer alle in dasselbe zerstreuet umhergesäete Rasuren, Frisuren, Ankleidungen, Sedes hintereinander abtun müßte. – Der dunkelste Nachtgedanke, der sich über meine etwa noch grünenden Prospekte lagert, ist der, daß der Tod in diesem nächtlichen Leben, wo das Dasein und die Freunde wie weit abgeteilte Lichter im finstern Bergwerk gehen, mir meine teure Geliebten aus den ohnmächtigen Händen ziehe und auf immer in verschüttete Särge einsperre, zu denen kein Sterblicher, sondern bloß die größte und unsichtbarste Hand den Schlüssel hat…. Hast du mir denn nicht schon so viel weggerissen? Würd’ ich von Kummer oder von Eitelkeit des Lebens reden, wenn der bunte Jugend-Kreis noch nicht zerstückt, wenn das Farbenband der Freundschaft, das die Erde und ihren Schmelz noch an den Menschen heftet, noch nicht voneinander gesägt wäre bis auf ein oder zwei Fäden? – O du, den ich jetzo aus einer weiten Entfernung weinen höre, du bist nicht unglücklich, an dessen Brust ein geliebtes Herz erkaltet ist, sondern du bists, der ists, der an das verwesende denkt, wenn er sich über die Liebe des lebendigen Freundes freuen will, und der in der seligsten Umarmung sich fragt: »Wie lange werden wir einander noch fühlen?«…
    Neununddreißigster oder 1 ter Epiphaniä-Sektor
     
    Erst jetzt ists toll: die Krankheit hat mir zugleich die juristische und die biographische Feder aus der Hand gezogen, und ich kann trotz allen Ostermessen und Fatalien in nichts eintunken…….
    Vierzigster oder 2 ter Epiphaniä-Sektor
     
    Mich wird, wie es scheint, nebenbei auch der schwarze Star befallen; denn Funken und Flocken und Spinnweben tanzen stundenlang um meine Augen; und damit – sagen Plempius und Ritter Zimmermann – meldet sich stets besagter Star an. Schielen – sagt Richter, der Starstecher, nicht der Starinhaber, in seiner Wundarzeneikunst (B. III, S 426) – läuft untrüglich dem Stare voraus. Wie sehr ich schiele, sieht jeder, weil ich immer rechts und links zugleich nach allem blicke und ziele. – Werd’ ich denn wirklich so stockblind wie ein Maulwurf. so ists ohnehin um mein bißchen Lebensbeschreiben getan….
    Einundvierzigster oder 3 ter Epiphaniä-Sektor
     
    Ich besitze ein paar Fieber auf einmal, die bei andern glücklichern Menschen sonst einander nicht leiden können: das dreitägige Fieber – das Quartanfieber – und noch ein Herbst- oder Frühlingfieber im allgemeinen. – Indessen will ich, solang’ ich noch nicht eingesargt bin, dem Publikum alle Sonntage schreiben und es etwa zu zwei oder drei Zeilen treiben.

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