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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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zwischen Weich- und Hartsein war mit seiner Schnelligkeit und seinen Abstichen aufs höchste gekommen: ich konnte vor Mangel an Atem kein Protokoll mehr diktieren, und die Szenen dieser Lebensbeschreibung durft’ ich mir nicht einmal mehr denken: als ich an einem rotglühenden Winterabend durch den rotgeschminkten Schnee draußen herumschritt und in diesem Schnee das Wort »heureusement« antraf.
    Ich werde an dieses Wort der Schnee-Wachstafel immer denken; es war mit einem Bambusrohr lapidarisch schön hineingezeichnet. »Fenk!« rief ich mechanisch. »Weit kannst du nicht weg sein«, dacht’ ich; denn da jeder Europäer (sogar auf seinen Plantagen) den Schnitt seiner Feder an einem eignen Worte prüfet und da der Doktor schon ganze Bogen mit dem Probierlaut »heureusement« als erstem Abdrucke seiner Feder vollgemacht: so wußt’ ich sogleich, wie es war.
    – Und bei mir saß er; und lachte (sicher mehr über die Krankheithistorie von meiner Schwester als über meine Invaliden-Gestalt) mich solange aus, daß ich, da ich nicht wußte, sollt’ ich lachen oder zürnen, am besten eines um das andre tat. – Aber bald kam er in meinen Fall und mußte auch eines um das andre tun – bei einer Historie, die uns, nämlich dem ganzen hypochondrischen Wohlfahrtausschusse, zur Schande gereicht und die ich doch erzähle.
    Es befand nämlich ein naher Vetter von mir, Fedderlein genannt, sich auch in der Stube, der beides ein Scheerauer Schuster und Türmer ist; er sorgt für die Stiefel und für die Sicherheit der Stadt und hat mit Leder und Chronologie (wegen des Läutens) zu tun. Mein naher Vetter war kohlschwarz und betrübt, nicht über meine Krankheit, sondern über die seiner Frau, weil sie daran verstorben war. Diesen Krankheit- und Totenfall wollt’ er mir und dem Doktor auch hinterbringen, um den letzten zu belehren und den ersten zu rühren. Es wäre auch gegangen, hätt’ er nicht zum Unglück ein Trennmesser meiner Philippine erwischt und damit, während seiner eignen Aufmerksamkeit auf die Todespost, sehr auf den Tisch gehämmert. Ich setzte mirs sogleich vor, es nicht zu leiden. Meine Hand kroch daher – meine Augen hielten seine fest – dem gedachten Hammer näher, um ihn zu hindern.
    Aber des Vetters Hand wich ihr höflich aus und klopfte fort. Ich hätte mich gern tief gerührt, denn er kam den letzten Stunden meiner seligen Base immer näher – aber ich konnte meine Ohren vom Messer-Hammerwerk nicht wegbringen. Zum Glück sah ich den kleinen Wutz dort stehen und lieh eiligst dem Klopfer das unglückliche Trennmesser ab und schnitt dem Kinde damit ein paar halbe – Fastnachtbrezeln vor in der Angst.
    Nun stand ich gerettet da und hatte selber das Messer. Aber er begann jetzt auf der Klaviatur des Tisches mit den entwaffneten Fingern zu spielen und versah in seiner Novelle seine Frau mit dem heiligen Abendmahl. Ich wollte mich und meine Ohren überwinden; aber da mich teils der innere Krieg, teils meine horchende Aufmerksamkeit auf seine trommelnden Finger, die ich nur mit der größten Mühe vernehmen konnte, gänzlich von meiner guten Base wegzogen, die gewiß eine Frau und Türmerin war wie wenige, so hatt’ ichs satt und fing nach seiner orgelnden Qual-Hand, legte sie in Arrest und brach aus: »O mein lieber Herr Vetter Fedderlein!« Er mutmaßte, ich sei gerührt; und wurd’ es selber immer mehr, vergaß sich und schnipsete mit den linken, noch arrestfreien Fingern zu stark an den Tisch.
    Ich wollte mir wie ein Stoiker auf dieser neuen Unglück-Station von innen heraus helfen und stellte mir während des äußern Schnipsens hinter mir meine gute Base und ihr Totenlager vor: »Und so« (sagt’ ich beredt zu mir selber) »liegst du arme Abgeblühte denn drunten und bist steif und unbeweglich und sozusagen tot!« – Er schnipsete jetzo ganz toll. – Ich konnte mir nicht helfen, sondern ich zog auch die linke Hand des Historikers gefänglich ein und drückte sie halb aus Rührung. »Sie können beide denken,« (sagt’ er) »wie mir erst war, als fiele der Turm auf mich, da sie einer wie einen Sack auf den Rücken fassen mußte und sie die sieben Treppen so heruntertrug.« – Ich war außer mir, erstlich darüber und zweitens weil ich in meiner Hand die Anstrengung der seinigen zu neuem Schnipsen verspürte; überwältigt sagt’ ich: »Ums Himmels willen, mein teurer Herr Vetter, um der guten Seligen willen, wenn Er seinen eignen Vetter lieb hat…«
    »Ich will schon aufhören,« sagt’ er,

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