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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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verberge mir es nicht, was hinter dem aussetzenden Pulse steckt, nämlich eben ein wirklicher Herzpolype, der Zündpfropf des Todes. Die fatale literarische Ferne, der Rezensenten-Bund, schleicht mit Stricken um uns gutwillige Narren herum, die wir schreiben und gleich Schmetterlingen an der Umarmung der Musen sterben – aber keine Kreuzer-Piece, nicht eine Zeile sollten wir edieren für solche gewissenlose Stoßvögel: wer dankt mirs, daß ich Szenen aufstelle, die den Prospektmaler beinahe umbringen, und biographische Seiten schreibe, die auf mich nicht viel besser wirken als vergiftete Briefe? Wer weiß es – nach Scheerau komm’ ich jetzo selten – als meine Schwester, daß ich in diesem biographischen Lustschloß, das mein Mausoleum werden wird, oft Zimmer und Wände übermale, die mir Puls und Atem dergestalt benehmen, daß man mich einmal tot neben meiner Malerei liegen finden muß? Muß ich nicht, wenn ich so in die Schlagweite des Todes gerate, aufspringen, durch die Stube zirkulieren und mitten in den zärtlichsten oder erhabensten Stellen abschnappen und die Stiefel an meinen Beinen wichsen, oder Hut und Hosen auskehren, damit es mir nur den Atem nicht versetzt, und doch wieder mich daran machen und so auf eine verdammte Art zwischen Empfindsamkeit und Stiefelwichsen wechseln? – Ihr verdammten Kunstrichter allzumal!
    Dazu gesellen sich noch tausend Plackereien, die mich seit einiger Zeit viel öfter zwicken, weil sie etwa merken, daß der Polype mir bald den Garaus versetzen und sie mich nicht lange mehr haben werden. Meinen Maußenbacher Hummer, der mich immer zwischen seine gerichtherrlichen Scheren nimmt und der glaubt, ein armer Gerichthalter müsse an nichts anderm sterben als an Arbeiten ex officio, diesen ägyptischen Fronvogt will ich überspringen; auch meine Schwester und Wutzen unter mir, die beide wider alles Maß lustig sind und mich fast tot singen. Aber was mich drückt, ist der Druck der Untertanen, das metallene Druckwerk, das man unsern Fürsten nennt.
    Ich hätte mich beinahe neulich in einer Exzeptionschrift in einen ehrenvollen Festungarrest hineingeschrieben. Hier aber auf dem biographischen Papiere kann ich schon eher meine Orangen ohne Karzer-Gefahr an den gekrönten Kopf werfen. Pfui! bist du darum Fürst, um eine Wasserhose zu sein, die alles, worüber sie rückt, in ihren Krater hinaufschlingt? Und wenn du uns einmal bestehlen willst, tu es mit keinen andern Händen als mit deinen eignen, fahre terminierend vor allen Häusern durch das Land und erhebe selber die ordentlichen Steuern in deinen Wagen: aber so wie bisher, langen unsre Abgaben nach dem Transitozoll, den sie den Händen aller deiner Kassenbedienten geben müssen, so mager wie weitgereisete Heringe oben in deiner Schatulle an, daß du im Grunde von beschwerlichen Summen nicht mehr bekommst als bequeme Logarithmen . Die Fürsten haben, wie die ostindischen Krebse, eine Riesen-Schere zum Nehmen, und eine Zwerg-Schere, den Fang an den Mund zu bringen.
    Und so ist die ganze Hauptstadt, wo jeder sich für regierendes Mitglied ansieht und doch jeder darüber schreiet, daß der andre sich ins Regieren mengt und daß die Kinder unter den Hermelin wie unter den väterlichen Schlafrock kriechen und vereinigt den Vater nachmachen – wo die Paläste der Großen aus Höllensteinen gemauert sind, die wie aussätzige Häuser kleinere zernagen – wo der Minister den Fürsten auf seiner unempfindlichen Hand, wie der Falkonier den Falken auf der beschuhten, trägt – wo man die Laster des Volks für die Renten ihrer Obern ansieht und alles moralische Aas, wie die Bienen ihr physisches, bloß mit Wachs umklebt, anstatt es aus dem Bienenkorb zu tragen, d. h. wo die Polizei die Moral ersetzen will – wo, wie an einem jeden Hofe, eine moralische Figur so unausstehlich und so steif gefunden wird als in der Malerei eine geometrische – wo der Teufel völlig los und der heilige Geist in der Wüste ist und wo man Leuten, die in Auenthal oder sonst krumme Sonden in den Händen halten und damit die fremden Körper und Splitter aus den Wunden des Staates heben wollen, ins Gesicht sagt: sie wären nicht recht gescheit….
    Ich wollt’, es wär’ wahr: so wär’ ich wenigstens recht gesund. Nach einem solchen Klumpen von Ich, woraus ein Staatskörper wie aus Monaden besteht, ist das meinige zu winzig, um vorgenommen und besehen zu werden. Sonst könnt’ ich jetzo nach den Besorgnissen um den Staat die um mich selber erzählen.
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