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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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blinkt aus Norden, und die Andromeda aus Osten – der breite Mond liegt unter der Erde neben dem Mittage der neuen Welt – aber die eingesunkne Abendröte (dieser bunte Sonnen-Schatte) beugt den Tagschimmer der neuen Welt gemildert in die alte herein und wirft ihn über zehn überlaubte Dörfer um mich und über den schwarzen, allein fortredenden Strom, diese lange Wasseruhr der Zeit, die damit ein Jahrtausend ums andre misset. – –
    So jämmerlich ist der enge Mensch; wenn er ein Buch hinaus hat, so blickt er zu allen entlegnen Sonnen auf, ob sie ihm nicht zusehen; – bescheidner wäre es, er dächte, er werde bloß von Europa und dessen indischen Besitzungen bemerkt. – – Ich wünsche nicht, daß mich hier ein Cherub, ein Seraph oder nur ein Berggeist mit meiner Schreibtafel und meinen Narrheiten gewahr werde. Mich sehe lieber ein Mensch stehen und schreiben: der wird mild sein und von seinem eignen Herzen lernen, die Schwächen eines fremden tragen; der gebrechliche Mensch wird es fühlen und vergeben, daß jeder das Nest, worin er sitzt und quiekt und welches das einzige ist, worüber er mit Schnabel und H— hinaussticht, für den Fokus des Universums hält, für eine Frontloge und Rotunda, die sämtlichen Nester aber auf den andern Bäumen für die Wirtschaftgebäude seines Fokalnestes….. O ihr guten Menschen! warum ist es möglich, daß wir uns untereinander auch nur eine halbe Stunde kränken? – Ach, in dieser gefährlichen Dezember-Nacht dieses Lebens, mitten in diesem Chaos unbekannter Wesen, welche die Höhe oder Tiefe von uns entfernt, in dieser verhülleten Welt, in diesen bebenden Abenden, die sich um unser zerstäubendes Erdchen legen, wie ist es da möglich, daß der verlassene Mensch nicht die einzige warme Brust umschlinge, in der ein Herz liegt wie seines und zu der er sagen kann: »Mein Bruder, du bist wie ich und leidest wie ich, und wir können uns lieben«? – Unbegreiflicher Mensch! du sammelst lieber Dolche auf und treibest sie, mitten in deiner Mitternacht, in die ähnliche Brust, womit der gute Himmel deine wärmen und beschirmen wollte!… Ach, ich schaue über die beschatteten Blumengründe hin und sage mir, daß hier sechstausend Jahre mit ihren schönen hohen Menschen vorübergezogen sind, die keiner von uns an seinen Busen drücken konnte – daß noch viele Jahrtausende über diese Stätte gehen und darüber himmlische, vielleicht betrübte Menschen führen werden, die uns nie begegnen, sondern höchstens unsern Urnen, und die wir so gern lieben würden – und daß bloß ein paar arme Jahrzehende uns einige fliehende Gestalten vorführen, die ihr Auge auf uns wenden und in denen das verschwisterte Herz für uns ist, nach dem wir uns sehnen. – Umfasset diese eilenden Gestalten; aber bloß aus euren Tränen werdet ihr wissen, daß ihr seid geliebet worden….
    – Und eben dieses, daß die Hand eines Menschen über so wenige Jahre hinausreicht und daß die so wenige gute Hände fassen kann, das muß ihn entschuldigen, wenn er ein Buch macht: seine Stimme reicht weiter als seine Hand, sein enger Kreis der Liebe zerfließet in weitere Zirkel, und wenn er selber nicht mehr ist, so wehen seine nachtönenden Gedanken in dem papiernen Laube noch fort und spielen, wie andre zerstiebende Träume, durch ihr Geflüster und ihren Schatten von manchem fernen Herzen eine schwere Stunde hinweg. – Dieses ist auch mein Wunsch, aber nicht meine Hoffnung. Wenn es aber eine schöne weiche Seele gibt, die so voll ihres Innern, ihrer Erinnerung und ihrer Phantasien ist, daß sie sogar bei meinen schwachen überschwillt – wenn sie sich und ein volles Auge, das sie nicht bezwingen kann, mit dieser Geschichte verbirgt, weil sie darin ihre eigne, ihre verschwundnen Freunde, ihre vorübergezognen Tage und ihre versiegten Tränen wiederfindet: o dann, geliebte Seele, hab’ ich an dich darin gedacht, ob ich dich gleich nicht kannte, und ich bin dein Freund, wiewohl nicht dein Bekannter gewesen. Noch bessere Menschen werden dir beides sein, wenn du den schlimmern verbirgst, was du jenen zeigst, wenn das Göttliche in dir, gleich Gott, in einer hohen Unsichtbarkeit bleibet, und wenn du sogar deine Tränen verschleierst – weil harte Hände sich ausstrecken, die gern sie mit dem Auge zerdrücken, wie man nach dem Regen alle grünen Spitzen des englischen Gartens niederschleift, damit sie nicht weiterkeimen….
    – Der helle Stern oder Tautropfe in der Ähre der Jungfrau fällt jetzt unter

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