Saemtliche Werke von Jean Paul
weglassen. – Ich tue also nur die
Erste Bitte, den Titel »Hundposttage« so lange zu vergeben, bis ihn das erste Kapitel erklärt und entschuldigt hat – Und die
Zweite, allemal ein ganzes Kapitel zu lesen, und kein halbes, weil das große Ganze aus kleinern Ganzen, wie nach den Homoiomerien des Anaxagoras der Menschenkörper aus unzähligen kleinen Menschenkörpern besteht – Und die
Siebente Bitte, die halb aus der zweiten fließet, aber nur die Kunstrichter angeht, mir in ihren fliegenden Blättern, die sie Rezensionen nennen, mit keiner Publikation meiner Hauptbegebenheiten vorzugreifen, sondern dem Leser einige Überraschungen, die er doch nur einmal hat, zu lassen. – Und endlich die
Fünfte Bitte, die man aus dem Vaterunser schon kennt.
Der Beschluß
Und so werde denn sichtbar, kleiner stiller Hesperus! – Du brauchst eine kleine Wolke, um verdeckt zu sein, und ein kleines Jahr, um deinen Umlauf vollführt zu haben! – Mögest du der Tugend und Wahrheit, wie dein Ebenbild am Himmel der Sonne, näher stehen, als die Erde allen dreien ist, in die du schimmerst, und mögest du wie jenes nur dadurch dich den Menschen entziehen, daß du dich in die Sonne hüllest! Möge dein Einfluß schöner, wärmer und gewisser sein, als der des Kalender-Hesperus ist, den der Aberglaube auf den Dunst-Thron dieses Jahres setzt! – Du würdest mich zum zweitenmal glücklich machen, wenn du für irgendeinen abgeblühten Menschen ein Abendstern , für irgendeinen aufblühenden ein Morgenstern würdest! Gehe unter mit jenem und auf mit diesem; flimmere im Abendhimmel des erstern zwischen seinen Wolken und überziehe seinen zurückgelegten bergaufgehenden Lebenweg mit einem sanften Schimmer, damit er die entfernten Blumen der Jugend wieder erkenne und seine veralteten Erinnerungen zu Hoffnungen verjünge! – Kühle den frischen Jüngling in der Lebenfrühe als ein stillender Morgenstern ab, eh’ ihn die Sonne entzündet und der Strudel des Tages einzieht! – Für mich aber, Hesperus, bist du nun wohl untergegangen – du zogest bisher neben dem Erdball wie mein Nebenplanet, wie meine zweite Welt, auf die meine Seele ausstieg, indes sie den Körper den Stößen der Erde ließ – aber heute fällt mein Auge traurig und langsam von dir und dem weißen Blumenflor, den ich um deine Küsten angepflanzet, auf den naßkalten Boden herab, wo ich stehe – und ich sehe uns alle von Kühle und Abend umgeben – weit von den Sternen abgerissen – von Johanniswürmchen belustigt, von Irrwischen beunruhigt – alle einander verhüllt, jeder einsam und sein eignes Leben nur fühlend durch die warme pulsierende Hand eines Freundes, die er im Dunkeln hält. – –
Ja, es wird zwar ein anderes Zeitalter kommen, wo es licht wird, und wo der Mensch aus erhabnen Träumen erwacht und die Träume – wiederfindet, weil er nichts verlor als den Schlaf. –
Die Steine und Felsen, welche zwei eingehüllte Gestalten, Notwendigkeit und Laster, wie Deukalion und Pyrrha hinter sich werfen nach den Guten, werden zu neuen Menschen werden. –
Und auf dem Abendtore dieses Jahrhunderts steht: Hier geht der Weg zur Tugend und Weisheit; so wie auf dem Abendtor zu Cherson die erhabene Inschrift steht: Hier geht der Weg nach Byzanz. – –
Unendliche Vorsicht, du wirst Tag werden lassen. –
Aber noch streitet die zwölfte Stunde der Nacht: die Nachtraubvögel ziehen; die Gespenster poltern; die Toten gaukeln; die Lebendigen träumen.
In der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche 1794.
Jean Paul.
1. Hundpostta g
Unterschied zwischen dem 1. und 4. Mai – Rattenschlachtstücke – Nachtstück – drei Regimenter in künftigen Hosen – Starnadel – Ouvertüre und geheime Instruktion dieses Buchs
Im Hause des Hofkaplans Eymann im Baddorfe St. Lüne waren zwei Parteien: die eine war den 30. April froh, daß der Held dieser Geschichte, der junge Engländer Horion , den 1. Mai aus Göttingen zurückkäme und in der Kaplanei bliebe – der andern wars nicht recht, sie wollte haben, er sollte erst den 4. Mai anlangen.
Die Partei des ersten Maies oder des Dienstags bestand aus dem Kaplans-Sohne Flamin , der mit dem Engländer bis ins zwölfte Jahr in London und bis ins achtzehnte in St. Lüne erzogen worden, und dessen Herz mit allen Aderzweigen in das britische verwachsen und in dessen heißer Brust während der langen Trennung durch Göttingen ein Herz zu wenig gewesen war – ferner aus der Hofkaplänin, einer gebornen Engländerin,
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