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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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(z. B. der Universität, der Regierung) und erhöhe ganz im stillen – hinter der herabgelassenen Gardine der Gesichthaut – Komisches der Natur zu Komischem der Kunst. – –
    Ich komme zurück. Die Kaplänin erzählte nun so viel von Viktor, als alle schon wußten. Aber dieses Wiederholen der alten Geschichte ist eben der schönste Reiz des häuslichen Gesprächs. Wenn wir süße Gedanken uns selber oft ohne Langweile wiederholen können, warum soll sie nicht auch der andere öfters in uns erwecken dürfen? – Die gute Frau schilderte ihren Kindern, wie sanft und weich, wie zärtlich und weiblich ihr lieber Sohn sei (denn Viktor nannte sie immer seine Mutter) – wie er sich überall auf sie verließ – wie er immer scherzte, ohne jemand zu necken, und immer alle Menschen, sogar die fremdesten, liebte – und wie sie vor ihm besser als vor irgendeiner Matrone ihr gedrücktes Herz aufschließen konnte und wie gern er mit ihr weinte. – Ein Hofapotheker mit einem Bimsstein-Herz – Zeusel schreibt er sich – sah dieses Zerfließen der wärmsten Seele sogar einmal für eine Tränenfistel an, weil er glaubte, keine andere Augen könnten weinen als kranke…. Lieber Leser, ist dir jetzo nicht wie dem Lebensbeschreiber, der nun den Eintritt dieses guten Viktors in die Kaplanei und Lebensbeschreibung kaum erwarten kann? Wirst du ihm nicht die freundschaftliche Hand reichen und sagen: »Willkommen, Unbekannter! – Siehe, dein weiches Herz öffnet unseres schon unter der Schwelle! O du Mensch mit Augen voll Tränen, glaubst denn du auch wie wir, daß in einem Leben, dessen Ufer vollhängen von Erschrocknen, die sich an Zweige , von Verzweifelten, die sich an Blätter halten, daß in einem solchen Leben, wo uns nicht bloß Torheiten, sondern auch Schmerzen umzingeln, der Mensch ein nasses Auge bewahren müsse für rote, ein beklommenes Herz für ein blutendes, und eine leise Hand, die den schweren dicken Leidenkelch dem Armen, der ihn leeren muß, trauernd hält und langsam nachhebt? – Und wenn du so bist: so rede und lache, wie du willst; denn die Menschen soll keiner belachen als einer, der sie recht herzlich liebt.« – –
    Nachmittags schickte der Obrist-Kammerherr Le Baut – ein gewürzhaftes Blätterskelett – den Läufer Seebaß zum Kaplan und ließ ihn ersuchen – denn das Schloß lag der Kaplanei nahe gegenüber –, den Bock nur so lange wegzustellen, bis sich der Wind drehte, weil seine Tochter käme. »Trauter Herr Seebaß!« (antwortete gerührt der Ratten-Kontroversist) »meinen untertänigen Empfehl wieder, und Sie sehen mein Elend. Morgen erfreuen mich der Lord und sein Sohn und sein Augenarzt mit ihrer Gegenwart, und der Star wird hier gestochen. Nun stinkt gegenwärtig das ganze Haus, und die Ratten setzen ihren Nachttanz noch gelassen im Geruche fort; ich beteure Ihnen, Herr Seebaß, wir können Teufelsdreck nehmen und damit die Kaplanei bis zum Dachstuhl ausfüttern, nicht einen Schwanz treiben wir dadurch fort; es gefällt ihnen vielmehr. Ich meines Ortes rüste mich schon darauf, daß sie morgen unter dem Stiche an dem Starstecher und an dem Patienten hinaufspringen. – So erging’ es uns allen, melden Sie im Schlosse, aber heute wollt’ ich noch vortreffliches Rosenholzöl versuchen.«
    Er holte also einen großen Hopfensack und zerrte ihn unters Dach hinauf, um da im eigentlichen Sinne die Ratten bei der Nase herumzuführen in den Hopfensack hinein. Bekanntlich sind Ratten so arg ersessen auf Rosenholzöl als Menschen auf Salböl, das, sobald nur sechs Tropfen auf den Scheitel fallen, auf der Stelle einen König oder Bischof daraus macht, welches ich daraus sehe, weil im ersten Fall ein goldner Reif um die Haare anschießt und im zweiten sie gar ausgehen. Der Wehrstand, der Kaplan, übersprützte den Sack mit einigem Öl und legte ihn mit seiner Mündung aufgesperrt und aufgespannt für die Feinde hin – er selber stand darhinter und hielt sich hinter einem ebenso eingeölten Ofenschirm versteckt. Seine Absicht war, hervorzufahren, wenn die Bestien im Sack säßen, und die ganze Rotte dann wie Bienen im Schwarmsack wegzutragen. Die wenigen Kammerjäger, die mich lesen, müssen diese Fangart häufig gebraucht haben. –
    Aber sie werden nicht darüber hingepurzelt sein wie der Kaplan, dem sich der wohlriechende Ofenschirm zwischen die Schenkel stülpte, und der still lag, während der Feind lief. In einer solchen Lage labt den Menschen der Pralltriller eines Fluches. Nachdem

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