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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Viktor zum Doktor Medicinae machen ließ: so wunderten sich meines Wissens viele Göttinger darüber, daß ein so vornehmer Jüngling das Doktor-Kopfzeug, diesen Plutos-Helm , der nicht, wie der mythologische, den Träger, aber doch andere unsichtbar macht, aufsetzte und den Doktorring, diesen Gygesring , der nur andern die Unsichtbarkeit verleiht, ansteckte; aber war denn den Göttingern die Augenkränklichkeit seines Vaters unbekannt oder unzulänglich?
    Der Lord schrieb dem Hofkaplan, daß er und sein Sohn morgen kommen würden; der Kaplan überlas die Hiobs-Post still dreimal hintereinander und steckte sie mit komischer Ergebung in den Briefumschlag zurück und sagte: »Wir haben nun hinlängliche Hoffnung, daß morgen unser Doktor gewiß eintrifft samt den andern – hübschen Lusttreffen und Brunnenbelustigungen seh’ ich entgegen; Frau! wenn der morgen einwandelt und meine gesamten Ratten tanzen wie Kinder vor ihm her – zu essen haben wir ohnehin nichts – und aufzusetzen hab’ ich auch nichts, denn vor Donnerstags jag’ ich dem Flachsenfinger Windbeutel nicht einen Haarbeutel ab… Und du lachst dazu? Wird nicht unsereiner mitten im April noch in April geschickt?« Aber die Kaplänin fiel ihm mit doppelten Ausrufzeichen der Freude an die Achsel und lief sogleich davon, um zu diesem Rosenfeste ihrer guten Seele die kleine Brüder- und Schwestergemeinde der Kinder zu ziehen. Der ganze Familienzirkel zerfiel nun in drei erschrockene und in drei erfreuete Gesichter.
    Wir wollen uns bloß unter die frohen setzen und zuhorchen, wie sie den Nachmittag als Gesichtmaler, als Gewändermaler, als Galerieaufseher am Gemälde des geliebten Briten arbeiten. – Alle Erinnerungen werden zu Hoffnungen gemacht, und Viktor soll nichts geändert mitbringen als die Statur. Flamin, wild wie ein englischer Garten, aber fruchttragender, erquickte sich und andere mit der Schilderung von Viktors sanfter Treue und Redlichkeit und von seinem Kopf und pries sogar sein Dichterfeuer, das er sonst nicht hochschätzte. Agathe erinnerte an seine humoristischen Rösselsprünge, wie er einmal mit der Trommel eines durchpassierenden Zahndoktors das Dorf vergeblich vor sein Theater zusammengetrommelt habe, weil er vorher die ganze fahrende Apotheke dieses redlichen wahren Freund Heins ausgekauft hatte – wie er oft nach einer Kindtaufe sich auf die Kanzel postieret und da ein paar andächtige Zuschauer in der Werkeltag-Schwarte so angeprediget habe, daß sie mehr lachten als weinten – und andern Spaß, womit er niemand lächerlich machen wollte als sich, und niemand lachend als andere. Weiber billigen es aber nie (sondern nur Männer), wenn einer wie Viktor zur britischen Ordenzunge der Humoristen gehöret – denn bei ihnen und Höflingen ist schon Witz Laune – das billigen sie nicht, daß Viktor (wie z. B. Swift und viele Briten) gern zu Fuhrleuten, Hanswürsten und Matrosen herunterstieg , indes ein Franzose lieber zu Leuten von Ton hinaufkriecht . – Denn die Weiber, die stets den Bürger mehr als den Menschen achten, sehen nicht, daß sich der Humorist weismacht, alles, was jene Plebejer sagen, souffliere er ihnen, und daß er absichtlich das unwillkürliche Komische zu künstlerischem adelt, die Narrheit zu Weisheit, das Erden-Irrhaus zum Nationaltheater. Ebensowenig begriff ein Amtmann, ein Kleinstädter, ein Großstädter, warum Horion seine Leserei oft so jämmerlich wähle aus alten Vorreden, Programmen, Anschlagzetteln von Reisekünstlern, die er alle mit unbeschreiblichem Vergnügen durchlas – bloß weil er sich vordichtete, diesen geistigen Futtersack, der bloß unter den Lumpenhacker gehörte, hab’ er selber gefertigt und gefüllt aus satirischer Rücksicht. – In der Tat, da die Deutschen Ironie selten fassen und selten schreiben: so ist man gezwungen, vielen ernsthaften Büchern und Rezensionen boshafte Ironie anzudichten, um nur etwas zu haben.
    – Und das ist ja nichts anders, als was ich selber versuche, wenn ich bei Terminen in Gedanken die Gerichtstube zum Komödienhaus erhebe, den Rechtsfreund zum juristischen Le Kain und Kasperl und die ganze Verhandlung zur alten griechischen Komödie; denn ich raste nicht, bis ich mir weisgemacht, ich hätte den guten Leuten den ganzen Termin nur einstudieren lassen als Gastrolle und wäre also wirklich ihr Theaterdichter und Direktor. So trag’ ich im Grunde meinen stummen Kopf munter als ein komisches Taschentheater der Deutschen durch deren edelste Behausungen

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