Saemtliche Werke von Jean Paul
gelben Laube irgendeine bedeckte süße Frucht der vorigen Zeit – und das Auge, dem du gar nichts zeigen kannst, dieses ziehe sanft hinauf zu deinem Bruder und zum Himmel, worin er glänzt. – Ja wenn ich einmal zu alt bin, so tröste mich auch!
Hof , den 16ten Mai 1797.
Jean Paul Fr. Richter
Vorrede, sieben Bitten und Beschluß
Vorrede
Ich wollte mich anfangs ereifern über einige Heere von Lesern, mit denen ich in diesem Buche nichts anzufangen weiß; und wollte mich vorn an den Hesperus als Pförtner stellen und vorzüglich Leute mit der größten Unhöflichkeit fortschicken, die nichts taugen – für welche, wie für einen Prosektor, das Herz nichts ist als der dickeste Muskel, und welche Gehirn und Herz und alles Innere, wie Formen der Gipsstatuen ihr eingefülltes Gemengsel von Scherwolle, Heu und Ton, nur darum tragen, um hohl gegossen auszufallen. – Ich wollte sogar mit ehrlichen Geschäftleuten keifen, die, wie der große Antonin, den Göttern danken, daß sie die Dichtkunst nicht weit getrieben – und mit solchen, vor denen sich der Kapellmeister Apollo auf einer Strohfiedel hören lassen soll, und seine neun Diskantistinnen mit dem Bier- und Strohbaß – ja sogar mit der lesenden Schwesterschaft der Ritterromane, die so lieset, wie sie heiratet, und die sich unter den Büchern, wie unter den Gesichtern der Herren, nicht die schönen weiblichen, sondern die wilden männlichen ausklaubt. – –
Aber ein Autor sollte kein Kind sein und sich seine Vorrede versalzen, da er nicht alle Tage eine zu machen hat. Warum habe ich nicht lieber in der ersten Zeile die Leser angeredet und bei der Hand genommen, denen ich den Hesperus freudig gebe, und die ich mit einem Freiexemplar davon beschenken wollte, wenn ich wüßte, wo sie wohnten? – Komm, liebe müde Seele, die du etwas zu vergessen hast, entweder einen trüben Tag oder ein überwölktes Jahr, oder einen Menschen, der dich kränkt, oder einen, der dich liebt, oder eine entlaubte Jugend, oder ein ganzes schweres Leben; und du, gedrückter Geist, für den die Gegenwart eine Wunde und die Vergangenheit eine Narbe ist, komm in meinen Abendstern und erquicke dich mit seinem kleinen Schimmer, aber schließe, wenn dir die poetische Täuschung flüchtige süße Schmerzen gibt, daraus: »Vielleicht ist das auch eine, was mir die längern tiefern macht.« – Und dich, höherer Mensch, der unser Leben, das nur in einem Spiegel geführet wird, kleiner findet als sich und den Tod, und dessen Herz ein verhüllter großer Geist in dem Totenstaube anderer zerfallener Menschenherzen heller und reiner schleift, wie man den Demant im Staube des Demants poliert, darf ich dich auch in meinen Abend- und Nachtstern auf eine Anhöhe, so wie ich sie aufzuwerfen vermag, herniederrufen, damit du, wenn du um sie, wie um den Vesuv, morganische Feen und Nebel-Gruppierungen und Traum-Welten und Schatten-Länder in der Tiefe ziehen siehest, vielleicht zu dir sagest: »Und so ist alles Traum und Schatten um mich her, aber Träume setzen Geister voraus, und Nebel Länder, und der Erdschatten eine Sonne und eine Welt«? –
Aber zu dir habe ich nicht den Mut, zu dir, edler Geist, der des Jahrhunderts müde ist und des Nachwinters der Menschheit, dem zuweilen, aber nicht immer, das Menschengeschlecht wie der Mond zurückzuwandeln scheint, weil er den Zug der Wolke, die darunter hinfliegt, für den Gang des himmlischen Körpers selber ansieht, und der voll erhabner Seufzer, voll erhabner Wünsche und mit schweigendem Ergeben zwar neben sich eine würgende Hand und das Fallen seiner Brüder hört, aber doch das aufgerichtete, auf dem ewig heitern Sonnenangesicht der Vorsehung ruhende Auge nicht niederschlägt, und den das Unglück, wie der Blitz den Menschen, zwar entseelt , aber nicht entstellt ; edler Geist, ich habe freilich nicht den Mut, zu dir zu sagen: »Würdige mich, auf mein Schattenspiel zu schauen, damit du über den Abendstern, den ich vor dir vorüberführe, die Erde vergessest, auf der du stehest, und die sich jetzo mit tausend Gräbern wie ein Vampyr an das Menschengeschlecht anlegt und Opferblut saugt.« – – Und doch hab’ ich an dich unter dem ganzen Buche gedacht, und die Hoffnung, mein kleines Nacht- und Abendstück vor nasse, aufgerichtete und feste Augen zu bringen, war der tragende Malerstock der müden Hand gewesen.
Da ich mich jetzt zu ernsthaft geschrieben, so muß ich von den sieben versprochenen Bitten, worunter nur vier es sind, drei
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