Saemtliche Werke von Jean Paul
sobald ich aus dem ersten Stockwerk (oder Heftlein) nur irgendeinen brüchigen Quader ausziehe, sofort im dritten alles wackelt und zuletzt nachfällt. Allerdings steh’ ich dadurch noch weit von den bessern neuen Romanen zurück, denen man ohne den geringsten Schaden der Komposition und Feuerfestigkeit beträchtliche Stücke ausbrechen und einbauen kann, bloß weil sie nicht, wie mein Buch, einem bloßen Hause, sondern einer ganzen Spielstadt aus Nürnberg gleichen, deren lose abgehenkte Häuser das Kind in seinem Spielschrank aufschichtet, und deren Musaik aus Hütten das liebe Kleine leicht zu seiner Lust gassatim zusammenstellt, wie es nur mag. Einer wahren Historie klebt immer das Verdrießliche an, daß dergleichen nicht zu machen ist.
Gleichwohl entschädige ich mein Werk für künstlerische Änderungen und Verbesserungen hinlänglich durch wahre – Vergrößerungen desselben, durch historische Zusätze. Da ich zum Glücke seit einigen Jahren unter den Personen selber lebe und hause, die ich abgeschildert: so bin ich als Zirkelgrad dieses schönen Familienzirkels ganz instand gesetzt, aus lebendigen Zeugen-Rotuln tausend Berichtigungen und Erläuterungen nachzutragen, die sonst kein Mensch erführe, und die gleichwohl die etwas dunkle Geschichte gewaltig erhellen. Der Kunstrichter schlage nur die zwei nächsten Kapitel des Buchs, oder die fernsten, oder andere auf.
Man will mich gefällig bereden, ich hätte in den Zusätzen den Überzähligen-Witz vermieden und den leuchtenden Naphthaboden meines Abendgestirnes, der weder auszugießen noch zu versenken war, geschickt gewässert durch frische Historie. – – Der Himmel geb’ es! Ich habe schlechte Hoffnung; aber lieb sollte es mir sein, wenn die Rezensenten mich versichern wollten, ich hätte in meinem Pantheon-Pandämonium meine dichten Bilder, obwohl nicht versteigert oder verdeckt, doch aber weiter auseinander gehenkt.
»Überhaupt« (verfolgt der Entwurf) »nimm lieber das historische Okuliermesser als das kritische Jätemesser in die Hand!«
Eben sagt’ ich, daß ichs getan.
»Was aber jene verdorrten falben Menschen anlangt, vor denen nichts groß ist als ihr Bild, und deren Magen vor jeder schönern Bewegung des erhobnen Herzens in eine umgekehrte gerät, kurz die alles anekelt (ausgenommen das Ekelhafte), so stelle dich an, als merktest du sie gar nicht einmal, um so mehr, da sie den Patienten gleichen, die der Bandwurm benagt, und welche nach medizinischen Beobachtungen sich vor jeder Musik, besonders Orgeln, erbrechen und ekeln – Denke lieber an die guten Menschen, die du kennst und liebst, und an die guten, die du nur liebst – – und daher werde am Ende der Vorrede ernsthaft und dankbar und freue dich!« – –
Wahrlich, das hätt’ ich getan schon ohne den Entwurf! – Wie könnt’ ich gegen die Schonung unempfindlich bleiben, womit man im ganzen die aphroditographischen Fragmente von meinem Abendstern abfassete, der mit so merklichen Aberrationen oder Abweichungen und in einer so wenig planetarischen Ellipse um seine Sonne läuft, daß er leicht, wie es oft dem Hesperus am Himmel geschieht, für einen Haar-, Bart- und Schwanzstern zu nehmen ist? – Und wie hart und kalt müßte die Seele sein, welche ohne Rührung und ohne Freude über den kürzesten frohen Tag, ja nur über eine frohe Sekunde und Terzie bliebe, in die sie die leidenden Menschen führen konnte – und über die ausgebreitete Verwandtschaft hoher Wünsche und heiliger Hoffnungen und freundlicher Gefühle – und über den holden Friedenschluß, worin die Zänker und Krieger auf der ersten Welt des prosaischen Lebens einander auf der zweiten Welt der Dichtkunst in gemeinsamen Erkennungen die Hände geben und zu Brüdern werden? –
Ich gebe dir, guter Asteriskus und Nebenplanet des sanften Abendsternes über mir, wieder die Wünsche vor drei Jahren für jede Seele auf den Weg, die du erfreuen kannst! Nur gehe für kein Auge als ein Regengestirn auf, nur mache keines irre, daß es den Mondschein der Dichtkunst für den Morgen der Wahrheit nimmt und die Morgen-Träume zu früh abdankt! – Aber in die Marterkammer und durch das Gefängnisgitter der verlassenen Seelen wirf einen erfreulichen Schein – und wem seine glückliche Insel auf den Meerboden der Ewigkeit entfiel, dem verkläre die dunkle tiefe Gegend – und wer vergeblich in einem entblätterten Paradiese umher- und hinaufsieht, dem zeige ein kleiner Strahl aus dir unten auf dem Boden unter dem
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