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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Seele – der Funke des Witzes umlief den ganzen Kreis seiner Ideen, die einander wie Grazien bei der Hand faßten, und sein elektrisches Glockenspiel übertraf des Junkers Entladungen, welche Blitze waren und nach Schwefel stanken. Klotilde, die sehr beobachtete, mißtrauete den Lippen und dem Herzen Sebastians.
    Der Hofjunker hielt ihn für seinesgleichen und für verliebt in Klotilde; und das aus dem Grunde, »weil der lustigere oder ernstere Ton, worin ein Mann in einer Gesellschaft verfalle, ein Zeichen sei, daß ein weiblicher Zitteraal darin in seinen Busen eingeschlagen«. Ich muß es gestehen, Viktors überwallende Seele ließ ihn nie jenen Ausdruck der Achtung für Weiber treffen, der sich nicht in unzeitige Zärtlichkeit verirrt, und den er oft gebildeten Weltleuten beneidete; seine Achtung sah leider allemal wie eine Lieberklärung aus. – Die Kammerherrin hielt ihn für so falsch wie ihren Cicisbeo; Leute wie sie begreifen kein anderes Wohlwollen als höfliches oder einfädelndes.
    Man behielt unsern Helden den ganzen Tag und den halben Abend drüben.
    Den ganzen Tag war er nicht imstande – obgleich die unsichtbaren Augen seines innern Menschen voll Tränen standen über Klotildens edle Gestalt, über ihre verborgne Trauer um die kalte hinabgesenkte Freundin, über ihre rührende Stimme, wenn sie bloß mit Agathen sprach – gleichwohl war er nicht imstande, nur ein ernsthaftes Wort zu sagen: gegen Fremde zwang ihn seine Natur allemal im Anfang einige satirische und andere Hasensprünge zu machen. Aber abends, da man im feierlichen Garten war, da sein gewöhnlicher Schauer vor der Leerheit des Lebens durch die Lustigkeit heftiger wurde – das wurde jener dadurch allezeit; hingegen durch ernsthafte, traurige, leidenschaftliche Gespräche nahm er ab – und da Klotilde ihm bloß eine sehr kalte, gleichsam von seinem Vater auf ihn angewiesene Höflichkeit gewährte und den Unterschied zwischen ihm und dem Matthieu, der keine zweite Welt und keinen dafür organisierten innern Menschen annahm, nicht in seiner ganzen Größe erriet: so wurd’ ihm beklommen ums sehnende Herz, zu viele Tränen schienen seine ganze Brust anzufüllen und durchzudrücken, und sooft er zu dem großen tiefen Himmel aufblickte, sagte etwas in seiner Seele: schier dich gar nichts um den feinen Cercle und rede heraus!
    Aber es gab für ihn nur eine Seele, an der jene Erhöhtritte wie an Pedalharfen geschaffen waren, die jedem Gedanken einen höhern Sphärenton erteilen, dem Leben einen heiligen Wert und dem Herzen ein Echo aus Eden; diese Seele war nicht sein sonst so geliebter Flamin, sondern sein Lehrer Dahore in England, den er ach schon lange aus seinen Augen, aber nie aus seinen Träumen verloren. Der Schatten dieses großen Menschen stand, gleichsam an die Nacht geworfen, flatternd und aufgerichtet vor ihm und sagte: »Lieber, ich sehe dein inneres Weinen, dein frommes Sehnen, dein ödes Herz und deine ausgebreiteten bebenden Arme; aber alles ist umsonst: du findest mich nicht und ich dich nicht.« Er schauete an die Sterne, deren erhebende Kenntnis sein Lehrer schon damals in seine junge Seele angeleget hatte; er sagte zu Klotilden: »Die Topographie des Himmels sollte ein Stück unserer Religion sein; eine Frau sollte den Katechismus und den Fontenelle auswendig lernen.« Er beschrieb hier die astronomischen Stunden seines Dahore und diesen selber. –
    Aus Klotildens Angesicht brach eine große Verklärung, und sie zeichnete mit Worten und Mienen ihren eignen astronomischen Lehrer im Stifte ab – daß er ebenso edel sei und ebenso still – daß seine Gestalt so gut besser mache wie seine Lehre – daß er sich Emanuel nenne und keinen Geschlechtnamen führe, weil er sage: »am verfliegenden Menschen, an seinem so eilig versinkenden Stammbaum sei zwischen dem Geschlechtnamen und Taufnamen der Unterschied zu klein« – daß leider seine veredelte Seele in einem zerknickten Körper lebe, der schon tief ins Grab einhänge – daß er nach der Versicherung ihrer Äbtissin der sanfteste und größte Mensch sei, der noch aus Ostindien (seinem Vaterlande) gekommen, wiewohl man über einige Sonderbarkeiten seiner Lebensart in Maienthal wegzusehen habe. – –
    Matthieu, dessen Witz die Schönheitlinie, den Giftzahn, den Sprung und die Kälte den Schlangen abborgte, sagte leise und unbefangen: »Es ist gut für seinen siechen Körper, daß er hier nicht Astronom und Nachtwächter zugleich wurde; er suchte vor einigen Jahren

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