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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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in einen ungeheuchelten Enthusiasmus für ihren pythagorischen Liebling setzte; und alle ihre Schönheiten wandten sich blühend nach Emanuels Bild, wie Blumen nach der Sonne. Zwei schöne Seelen entdecken ihre Verwandtschaft am ersten in der gleichen Liebe, die sie an eine dritte bindet. Das volle begeisterte Herz verschweigt und verhüllt sich gern in einem Putzzimmer, das lauter ungleichartige hegt; aber wenn es darin sein zweites antrifft, so muß es darüber sein Verstummen und Verhüllen und das Putzzimmer vergessen.
    Viktors Quecksilber seiner morgendlichen Lustigkeit war um zehn Grade gefallen. In seiner dämmernden Seele ragte nichts hervor als der Zettel, den er lesen wollte und auch schon las draußen auf der Gasse; und vorher schied er.
    Das Blatt war aus Klotildens fliegendem Stammbuch geflattert und von – Emanuel geschrieben.
    »Der Mensch hat hier dritthalb Minuten, eine zu lächeln – eine zu seufzen – und eine halbe zu lieben; denn mitten in dieser Minute stirbt er.
    Aber das Grab ist nicht tief, es ist der leuchtende Fußtritt eines Engels, der uns sucht. Wenn die unbekannte Hand den letzten Pfeil an das Haupt des Menschen sendet: so bückt er vorher das Haupt, und der Pfeil hebt bloß die Dornenkrone von seinen Wunden ab.
    Und mit dieser Hoffnung zieh aus Maienthal, edle Seele; aber weder Weltteile, noch Gräber, noch die zweite Welt können zwei Menschen zertrennen oder verbinden; sondern nur Gedanken scheiden und gatten die Seelen. –
    O dein Leben hänge voll Blüten! Aus deinem ersten Paradies müsse ein zweites, wie mitten aus einer Rose eine zweite, sprießen! Die Erde müsse dir schimmern, als ständest du über ihr und sähest ihrem Zug im Himmel nach! – Und wie Moses starb, weil ihn Gott küßte: so sei dein Leben ein langer Kuß des Ewigen! Und dein Tod werde meiner….
    Emanuel.«
    »O du guter, guter Geist!« (rief Viktor) »ich kann dich nun nicht mehr vergessen – du mußt, du wirst mein schwaches Herz annehmen!« Von seinen innern Saiten waren jetzt die Dunsttropfen, die ihren Klang aufhielten, abgefallen. Sein Kopf wurde eine helle Landschaft, in der nichts stand als Emanuels glänzende Gestalt. Er kam mit einem selig bewegten Angesicht spät im Pfarrhaus an; und in dieser Glut stellte er vor seinen Zuschauern das Bild von Klotilden auf, dem er von einem Engel alles, sogar Flügel gab, welche ein kurzes Verweilen drohten. Seine Freundschaft erhob ihn über den Argwohn eines Argwohns so sehr, daß er seinem Freunde keine wärmere und zärtere Probe derselben zu geben glaubte als durch das stärkste sympathetische Lob Klotildens; Flamins Liebe gegen sie ging durch die Freundschaft in seine Seele über. Die Empfindung für die Geliebte eines Freundes führt eine unnennbare Süßigkeit und moralische Zartheit mit sich. Für Viktor steh’ ich in diesem Punkte, daß er zwar begriff, wie ein Freund dem andern die Liebe zum Opfer bringen, aber nicht begriff, wie der andere das Opfer annehmen könne; allein für Flamin sag’ ich nicht gut, daß er kalt und Menschenkenner genug ist, um die Preismünzen, die Viktor auf Klotilden schlägt, und worauf er ihr schönes Angesicht und sein Wappen setzt, immer für ebenso viele Münzen de confiance und für Pfänder der brüderlichen Treue anzusehen. Er war zu brausend und zu ehrgeizig, um die Wahrheit zu sehen, ja nur anzuhören: denn sein offenherziger Freund mußte manchen zärtlichen Tadel unterdrücken, der ihn zu sehr gekränkt hätte, weil er zuviel Ehrgeiz und Feuer und zu wenig Selbervertrauen hatte. Daher heftete sich ein Schmeichler wie Matthieu mit seinen Efeu-Häkchen desto fester in die Risse dieses Felsen ein. Da er ein wenig barsch den namenlosen Emanuel einen Schwärmer nannte: so sagte Viktor von diesem heute wenig. Flamin konnte – weil er entweder ein Jurist oder ein hitziger Kopf, oder beides war – nichts so wenig ausstehen als Poeten, Philosophen, Hofleute und Enthusiasten – einen ausgenommen, der alles das auf einmal war, seinen Sebastian Viktor.

5. Hundpostta g
     
    Der dritte Mai – der auf der Musik sitzende Abbate – die Nachtigall
    Ich muß überhaupt voraus bemerken, daß ich sehr dumm wäre, wenn ich die Menge von Unwahrscheinlichkeiten in dieser Historie nicht merkte; aber ich merke sie sämtlich gut; ja ich habe solche – z. B. die in Klotildens Betragen, oder die des medizinischen Doktorats des Helden – noch eher als der Leser selber wahrgenommen, weil ich alles eher – gelesen habe. Ich schob

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