Saemtliche Werke von Jean Paul
Eilen – einen Hundposttag hinauszubringen, lässet er sechs Schüsseln kalt werden und den Nachtisch warm – Doch was will dies sagen: ein leibhafter römischer König reite durch die Straße, und ein Kanonendonner fahre hinterdrein, er hörts nicht – seine Ehehälfte gebe in seinem Lesekabinett einem ehelichen Überbein das beste Abendessen, er siehts nicht – das Überbein selber halte ihm Teufelsdreck unter die Nase, es gebe ihm scherzend mit einem Waldhammer leichte Hiebe, er spürts nicht… so außer sich ist er über mich, ordentlich nicht recht bei Sinnen. – –
Das ist nun das Unglück, dessen Gewißheit ich mir vergeblich zu verbergen suche. Ists einmal da, und bring’ ich ihn unglücklicherweise in jene historische Hellseherei, wo er nichts mehr hört und sieht als meine mit ihm in Rapport gesetzte Personen, weder seinen Vater noch Vetter: so kann ich versichert sein, daß er einen Berghauptmann noch weniger hört – denn Geschichte will er, und von mir weiß er gar nichts mehr – ja ich will setzen, ich brennte die buntesten Feuerwerke des Witzes ab, ja es hingen aus meinem Maul philosophische Schlußketten, wie aus eines Taschenspielers seinem Bänder, in Zaspeln heraus: hülf’s mir was? –
Dennoch müssen Bänder heraushängen und Feuerwerke abbrennen; es soll aber so werden: Wie von jedem Jahre so viel Stunden übrigbleiben, daß aus den Überbleibseln von vier Jahren ein Schalttag zu machen ist – und wie mir selber nach vier Hundposttagen allezeit so viel Nachschriften, so viel Witz und Scharfsinn ganz unnütz als Ladenhüter liegen bleiben, daß daraus recht gut ein eigner Schalttag zu machen wäre: so soll er auch gemacht werden, sooft vier Hund-Dynastien vorüber sind; nur dies braucht es noch, daß ich vorher mit dem Leser folgenden Grenz- und Hausvertrag abschließe und ratifiziere, also und dergestalt:
I. Daß von seiten des Lesers dem Berghauptmann auf St. Johannis für ihn und seine Erben zugestanden und bewilligt werde, von nun an nach jedem vierten Hundposttage einen witzigen und gelehrten Schalttag, in dem keine Historie ist, zu verfertigen und drucken zu lassen.
II. Daß von seiten des Berghauptmanns dem Leser bewilligt wird, jeden Schalttag zu überschlagen und nur die Geschichttage zu lesen – wofür beide Mächte entsagen allen beneficiis juris – restitutioni in integrum – exceptioni laesionis enormis et enormissimae – dispensationi – absolutioni etc. Auf dem Kongreß zu St. Johannis den 4ten Mai 1793.
So lautet das echte Instrument des so bekannten Hund-Vertrags zwischen dem Berghauptmann und Leser, und diese Renunziationsakte kann und muß in zukünftigen Mißhelligkeiten beider Mächte von einem Mediateur oder einem Austrägalgericht einzig zum Grunde gelegt werden.
7. Hundpostta g
Der große Pfarr-Park – Orangerie – Flamins Standes-Erhöhung – Fest-Nachmittag der häuslichen Liebe – Feuerregen – Brief an Emanuel
Den Lord ausgenommen, sitzt schon alles im Pfarrgarten und passet auf mich; aber den Garten kennt noch kein Henker. Er ist eine Chrestomathie von allen Gärten, und doch nicht größer als die Kirche. Viele Gärten sind wie er zugleich Küchen-, Blumen-, Baumgärten; aber er ist noch ein Tiergarten – wie er denn die ganze Fauna von St. Lüne enthält – und noch ein botanischer – mit der vollständigen Flora des Dorfs ist er bewachsen – und ein Bienen- und Hummelgarten – sooft sie gerade hineinfliegen. Indessen sollte man doch solche kleinere Vorzüge gar nicht namhaft machen, wenn ein Garten wie er einmal den hat, daß er der größte englische ist, durch den je ein Mensch schritt. Er verbirgt nicht nur sein Ende – wie jeder Park gleich jeder Kasse tun muß –, sondern auch seinen Anfang und scheint bloß die Terrasse zu sein, von der man in das hineinsehen kann, was man nicht übersehen, aber wohl wie Cook umfahren kann. Im englischen Pfarrgarten sind nicht einzelne Ruinen, sondern ganze zerschlagene Städte, und die größten Fürsten haben sich um die Wette beeifert, ihn mit romantischen Wüsten und Schlachtfeldern und Galgen zu versorgen, an die noch dazu (das treibt die Täuschung höher) wahre Spitzbuben gebunden sind als Fruchtgehänge. – Die Gebäude und Gesträuche verschiedener Weltteile sind darin nicht in eine widersinnige Nachbarschaft zusammengetrieben, sondern durch ordentliche Meere oder Wasserpartien nett auseinander gestoßen, welches bei dessen Größe leicht gewesen, da er über neun
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