Saemtliche Werke von Jean Paul
Johannis aus Maienthal zu ziehen, beschleunigt habe, um nicht dem geliebten Menschen an dem Namentage des künftigen Sterbetages zu begegnen. Zufolge ihrer Erzählung hatte dieser Emanuel eine hart erhabne Stellung unter den Menschen: er war allein, an seiner Brust waren große Freunde gewesen – aber alles war ihm unter die Erde gegangen – darum wollt’ er auch sich darunter verhüllen. Die Jahre geben den stürmischen überkräftigen Menschen eine schönere Harmonie des Herzens, aber den verfeinerten kalten Menschen nehmen sie mehr, als sie geben; jene Kraftherzen gleichen den englischen Gärten, die das Alter immer grüner, voller, belaubter macht; hingegen der Weltmann wird, wie ein französischer, durch die Jahre mit ausgedorrten und entstellten Ästen überdeckt.
Viktor wurde ängstlicher; jedes Wort, das er ihr abgewann, hielt er für Tempelraub an seinem Freund, da ohnehin der letzte nicht so gut als er die Kunst verstand, mit einer Frau in ein Gespräch zu kommen. Jener hatte nicht den Mut zu glänzen, weil er dadurch um ihren Beifall mit seinem Freunde zu wetteifern besorgte. Sein Flamin kam ihm heute länger, schöner, besser vor; und er sich kürzer und dümmer. Er wünschte tausendmal, sein Vater wäre schon da, damit er ihm Flamins Bitte, ihm Klotildens Besitz leichter zu machen, mit dem größten Feuer übergeben könnte.
Endlich kam er, und Viktor atmete wieder voll. Der gute Mensch sucht oft durch aufopfernde Taten sein Gewissen wieder mit seinen Gedanken auszusöhnen. Mit herzklopfendem Enthusiasmus wartete er auf die Minute der Einsamkeit. Ein Garten vereinzelt und verbindet Leute auf die leichteste Weise, und nur darin sollte man Geheimnisse verteilen; Viktor konnte bald in einer Laube, die sich an vier Kastanienbäumen mit Blüten-Geäder über den Menschen zusammennistete, mit gerührtem Zittern seinen Vater umfassen und für seinen Freund sprechen und glühen mit Zunge und Herz. Des Lords Überraschung war größer als dessen Rührung. »Hier« (sagt’ er) »ist deine Bitte auf eine andere Art längst erfüllt; ich wollte dir aber das Vergnügen der Botschaft aufheben« – und damit gab er ihm ein allerhöchstes Handbillet, worin der Fürst den praktizierenden Advokaten Flamin zum Regierungrat beruft.
Ein allerhöchstes Handbillet ist das Tetragrammaton und Gnadenmittel, das die übernatürlichen Wirkungen und Staats-Wunder tut; und der durchlauchtige Schreib-Daumen ist gleichsam ein zauberischer Diebs-Daumen, der die verschiedenen Räder der Staats-Repetieruhr, das Heberad, das Zifferblattrad, oft bloß den Zeiger voraus- oder zurückstößet, je nachdem er eine Stunde früher oder später begehrt. Daher steigen oft Minister hinauf und schneiden sich einen solchen Diebs-Daumen für ihre Taschen ab.
Sebastian wird von der Freude wie von Habakuks Engel beim Schopfe erfaßt und durch den Garten geführt und mit seiner Novelle an den ersten besten getrieben – an den Kaplan, welcher mit einem närrischen Gesicht beschwor, es wären nur Finten von Viktor; aber der verhaltene Jubel sprengte ihm fast die zugebundene Ader auf. Viktor hatte keine Zeit, zu widerlegen; sondern eilte mit einer solchen Botschaft an das rechte Herz, in das sie gehörte – ans mütterliche. Die Mutter konnte ihren Mund zu nichts als einem seligen Lächeln öffnen, in das die Augen ihre Freudentropfen gossen. In der Natur ist keine Freude so erhaben rührend als die Freude einer Mutter über das Glück eines Kindes. Aber der Sohn, in dessen heutiger Seele dieser Sonnenblick des Schicksals nötig war, wurde in der Überraschung nicht sogleich gefunden.
Der Lord sprach unterdessen mit Klotilden wie mit seiner Tochter und gab ihr einen Brief von ihrer Mutter und die Nachricht seiner nahen Abreise. Sein von Achtung geleitetes und von Feinheit verschönertes männliches Wohlwollen veredelte ihre Aufmerksamkeit auf seine Mienen, und als sie aus dem warmen leisen Gespräch mit glänzenden Augen ging, war ihre hohe Gestalt, die sich sonst ein wenig bückte, von einer Begeisterung zum erhabnen Wuchse aufgerichtet, und sie stand unendlich schön in dem Tempel der Natur, wie eine Priesterin dieses Tempels. – Der Lord entfernte sich von ihr. – Sie fand Flamin am Tulpen-K, und die Göttin des Glücks erschien ihm in der holdesten menschgewordnen Gestalt, um ihm ihr Geschenk zu liefern. Freilich setzte ihn hier die Zeitung und die Zeitungträgerin in gleiches Entzücken.
Die Freude hatte den ganzen Bienen-Garten in einem
Weitere Kostenlose Bücher