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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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der gegebene Püster war. Es muß nämlich die Denk- und Lese-Welt, der man oft die wichtigern Tatsachen nicht hinterbringt, am wenigsten um diese kommen, daß der Hofkaplan – so wie Menschen aus Menschen gerissen werden, um die übrigen zu übertreffen und zu beherrschen – gerade so die Haare, die sein Kamm auszupfte, in einen Pelz-Faszikel oder Haar-Verein zusammenwickelte, um damit die übrigen, die noch standen, einzupudern, welches nun wohl vom erhabensten Geist und Pentameter nicht anders zu benamsen ist als ein Haarpüster. Gleichwohl wurde Eymanns Gesicht länger als die Mütze: er ließ diese Spritze des Farbenpulvers des Kopfes kalt daliegen und sagte: »Mach’ ich nicht die Bibel ausfündig: so seh’ ich nicht ab, wie mich dieser Schopf allein herausziehen will.«
    Wie vor Luther die Bibel, wurde jetzt die Cansteinische mit ihren schwarzen Käfer-Flügeldecken gesucht. Wenn etwas diesen harten Schlag noch herber machen konnte, so wars dies, daß Eymanns Bäffchen – gleich seiner Vernunft – zwischen den verlornen kanonischen Blättern wie zwischen einer Serviettenpresse lag: denn die Geistlichen – besonders der Papst – machen das Bibelwerk gern zur Glanzpresse und zum Schmuckkästchen ihres äußern Menschen. Ob er gleich noch acht Bibeln, sogar die einfältige Seilerische Bibel-Chrestomathie, im Hause hatte und in der Wochenkirche heute gar keine brauchte: so war es doch besser und menschlicher – d. h. närrischer –, daß er den Kopf seines Sakristei-Pedells, des Schulmeisters, aus dem Fenster pfiff und den Gottesdienst – wie eine Aufklärung – durch ein viertelstündiges Interim verschob, als daß er statt der Stunde des Lautens nichts Geringers änderte als Bibel und Bäffchen.
    Lieber Himmel! wie man gleich Exegeten und Kennikottisten suchte und lächelte! – »Dieses Forschen nach der Bibel«, sagte Sebastian, »gereicht einem Geistlichen zur Ehre, zumal da er die biblischen Wahrheiten nur beim Taglicht , nicht bei Scheiterhaufen-Fackeln sucht.«
    Die Mönche haben, wie die Anzünder der öffentlichen Laternen, eine Leiter und viel Öl , aber mit dem Öl löschen sie die Lampen aus und den eignen Durst, und mit der Leiter reichen sie die, die wieder anzünden, dem – Galgen.
    Als der Kaplan vor dem ruhigen Kopf des sechswöchentlichen Kindes vorbeiging, den schon die heutige Tressenhaube preßte: so ging er aus Ärger über dessen Gleichgültigkeit wieder zurück, hob seinen geputzten Kopf empor mit der rechten Hand und fuhr in den Schacht des Wiegenstrohes ein mit der linken und wollte da die Bibel – die gewöhnlich das Kopfkissen und die Amulett-Unterlage der Kinder (besonders der Dauphins ) ist – ausgraben, indem er sagte: »Der miserable kleine Fratz läge bei unserem Elend nur kalt da, mir nichts dir nichts, wenn ich ihn nicht aufstörte.« – Und hier fiel etwas, nicht wie ein Schuß, sondern wie ein Buch, wiewohl mans durch meinen Kiel bis ins dreißigste Jahrhundert hören kann. Eymann sprang denkend ins zweite Stockwerk und fand zu seinen Füßen eine erschmissene – Maus unter seiner gesuchten Bibel. Den protestantischen Reichskreisen können die Studenten- oder Doktor Luthers-Mausfallen niemals unbekannt gewesen sein, zu denen man nichts braucht als ein Buch, und die für Mäuse sind, was symbolische Bücher für Kandidaten. Sebastian zog die Leiche beim Schwanze unter der biblischen Quetschform und Seilerischen Bibelanstalt hervor, schwenkte den Kadaver gegen das Licht und hielt diesen Leichensermon ex tempore: »Armer Schismatiker! dich erschlug das Alte und Neue Testament, aber du und die Testamente sind außer Schuld! – Sei nur froh, daß die Bibel dich nicht gar zu Asche sengte, wie einen portugiesischen Israeliten; aber du fielest in aufgeklärte Zeiten, wo sie nichts nimmt als Pfarrdienste. Es ist echter Witz, wenn ich frage: da sonst die Bibel die Feuerbrünste, worein man sie warf, auslöschte: warum denn Autodafés nicht auch?« –
    Ich laure hier längst der Welt auf, um sie zur Untersuchung zu nötigen, warum ein Maus-Sterbefall sie mehr interessiert als eine erschossene Armee in der allgemeinen Weltgeschichte, ein verlorner fremder Haarpüster mehr als Christinens verlegte Krone… Daher kömmt dieses Interesse, woher es bei denen kömmt, denen die Sache wirklich begegnet: weil ich sie weitläuftig erzähle, d. h. weil die Leser gleich den dabei interessierten Helden mühsam einen Augenblick der kindischen Historie um den andern überleben.

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