Saemtliche Werke von Jean Paul
mein strömendes Herz ergiessen könt. Ich mache Versuche; aber bald Schauder’ ich zurük, und werfe die vermeinten Freunde wie glühende Kolen aus der Hand. - Meine warmen Herzensausgüsse werden mit Spötteln in ihre Ufer zurük getrieben: ich schäme mich dan, (wie paradox!) gut gehandelt zu haben. Wilst du sie kennen lernen? Lies dieses Gespräch.
ICH. Wie freu’ ich mich, daß es nun wieder Sommer ist! Herlichers kan ich mir nichts gedenken, als alle Tage, früh und abends, spazzieren gehen —
SCHÜLER. Ich auch - wenn ich gearbeitet habe! Man macht sich eine gute Mozion.
ICH. O dieses ist’s wenigste. Dieses Vergnügen kan ich eben so gut in der Stube geniesseil. Aber, lieber Freund! die milde Natur betrachten und sich von ihr rüren lassen —
SCHÜLER. Da müssen Sie noch wenig im Sommer spazzieren gegangen sein. Das erstemal, wenn ich im Früling’ mich im Felde befinde, da gefält mir alles. Aber im Sommer da hört’s Vergnügen schon auf - Man hat’s ia alle Tage —
ICH. So so! Ihnen mag’s so sein - mir nicht. Ekstatisches Gefül überwältigt mich, und —
SCHÜLER. Sie verschmachten für Hizze. (spöttelnd.)
Mit solchen Kerl’s hat man umzugehen. Und dieser ist noch einer von der bessern Art. Denn er hat doch räsonniren gelernt. Aber hier ein Dummer, da ein Dummer. Man äft mich; denn ich bin fremd. Ich bin zu offenherzig, darum hält man mich für einen Einfältigen - darum werd’ ich so oft betrogen. Nun so hab’ ich dir denn nach Art der alten, und erenvesten Kronikschreiber alles beschrieben - und es wär’ Zeit, ein Ende zu machen. Nur dieses sol das Resultat von allem diesen sein: in dieser Stadt werd’ ich wenig besser werden; viele Mühe wird’s hingegen kosten, nur das zu bleiben, was ich bin.
den 29. Jun.
Wenn ich doch Zeit genug hätte! Ich leb’ unter den Leuten so mit hin. Ich befürchte gar, ihnen änlich und mir unänlich zu werden. Selten phantasir’ ich wie sonst - aber wenn ich’s tue, dan bin ich ganz Abelard. Ich weine seltner als sonst, aber die Tränen sind inniger. Ich lache mer als sonst, aber über geringere Freuden, über nichts bedeutende Dinge. Unter allen hier scheint einer mir änlich zu sein. Wir empfinden fast schon unsre Gleichheit - unsre Herzen ziehen sich an wie der Magnet das Eisen - — aber wenn nur äussere Verhältnisse nicht hindern. Entweder wir werden’s bald - oder nie. Lebe wol!
den 12. Julius.
Und wir sind’s bald geworden! Ich habe gesucht, und fand, was ich suchte. Lieber Wilhelm, wenn du nicht noch lebtest, so würd’ ich Pytagoras Selenwanderung annemen, und glauben, deine Sele wär’ in seinen Körper gefaren, so ganz änlich ist er dir. Aber Glük für mich! Ich habe zwei Freunde gefunden. Ein Gespräch über ein Buch fachte den Funken an, der schon in uns glimte - wir wurden ein ander dadurch näher gebracht. Wilst du’s lesen? - hier.
ICH. Unfelbar haben Sie Stilling’s Jugendgeschichte gelesen?
KARL. Mit Freuden erinner’ ich mich’s.
ICH. Und ich auch - Gewis es mus Ihnen ser gefallen haben?
KARL. O wer’s nur fülte. Dies Buch ist ganz für den Jüngling geschrieben. Ein Stral von der so unbesorgt durchlebten Kindheit umdämmert so sanft die Sele - alle unschuldige Wonnen, in der Jugend genossen, leben in der Sele wieder auf - man senet, senet sich, einem Freund’ an den Busen zu fallen und an ihm der Freudenerinnerungstränenf!] auszuweinen -
ICH. Guter! wie oft dacht’ ich’s, wünscht’ ich’s - und umsonst.
KARL. Und ich - auch umsonst - umsonst (nachdenkend)
ICH. (ihn anblikkend) umsonst? - o wir fülen, Guter - wir - — wir —
KARL. wollen’s sein - ach Freunde sein, es bleiben - Freunde. Wehmütig sah’ ich meinen Freund an — die Tränen entdrangen den Augen. Ich entfernte mich. Denn sie ist nicht auszuhalten, die nahe Gegenwart des Weinenden. Alles wird in der Sele gespant. Alles engt uns ein! Leb wol, lieber Wilhelm! Du bist mir nun doppelt teuer, lieber. Denn ich kan dich täglich in deinem Ebenbilde lieben. Jedes Unglük wil ich aushalten - denn ich habe zwei Freunde gefunden. -
den 24. Jul.
Du wünschest meinen Freund näher kennen zu lernen? - Dies wird dir leicht sein; denn du brauchst nur dich zu kennen - er ist ganz dein ander Ich. Sein Vater ist Pfarrer in einem Dorfe, das eine halbe Meile von der Stadt entfernt ist. Er hat Geld genug, um woltätig zu sein: und nicht zu viel, damit in Laster zu verfallen. Fast täglich besuch’ ich ihn. Hier
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