Saemtliche Werke von Jean Paul
habe für unverhältnismäßige Ausbildung die Nachsicht des Menschenkenners. Eine unsichtbare Hand legt den Stimmhammer an den Menschen und seine Kräfte – sie überschraubt, sie erschlafft Saiten – oft zersprengt sie die feinsten am ersten – nicht oft nimmt sie einen eilenden Dreiklang aus ihnen – endlich wenn sie alle Kräfte auf die Tonleiter der Melodie gehoben: so trägt sie die melodische Seele in ein höheres Konzert, und diese hat dann hienieden nur wenig getönet. – – –
…. Ich schrieb jetzt eine Stunde nicht; ich bin nun auf dem Schneeberg, aber noch in der Sänfte. Erhabne Paradiese liegen um mich ungesehen, wie um den eingemauerten Menschengeist, zwischen dem und dessen höherem Mutterland der dunkle Menschenkörper innen steht; aber ich habe mich so traurig gemacht, daß ich in das schmetternde Trommeten- und Laubhüttenfest, das die Natur von einem Gebirge zum andern begeht, nicht hineintreten will: sondern erst wenn die Sonne tiefer in den Himmel gesunken und wenn in ihren Lichtstrom der Schattenstrom der Erde fällt, dann wird unter die stummen Schatten noch ein neuer beglückter stiller Schatten gehen. – – Aufrichtiger zu sprechen, ich kann bloß von euch – ihr schönern Leser, deren geträumte, zuweilen erblickte Gestalten ich wie Genien auf den Höhen des Schönen und Großen wandeln und winken sah – nicht Abschied nehmen; ich bleibe noch ein wenig bei euch, wer weiß, wann und ob die Augenblicke, wo unsre Seelen über einem zerstiebenden Blatte sich die Hände geben, je wiederkommen – vielleicht bin ich hin, vielleicht du, bekannte oder unbekannte teuere Seele, von welcher der Tod, wenn er vorbeigeht und die unter Körnern und Regentropfen gebückte Ähre erblickt, bemerkt: sie ist schon zeitig. – Und gleichwohl was kann ich jenen Seelen in den Augenblicken des Abschieds, die man so gern mit tausend Worten überladen möchte und eben deswegen bloß mit Blicken ausfüllt, noch zu sagen haben oder zu sagen wissen, als meine ewigen Wünsche für sie: findet auf diesem (von uns Erdball genannten) organischen Kügelchen , das mehr begraset als beblümet ist, die wenigen Blumen im Nebel, der um sie hängt – seid mit euren elysischen Träumen zufrieden und begehret ihre Erfüllung und Verkörperung (d. h. Verknöcherung) nicht; denn auf der Erde ist ein erfüllter Traum ohnehin bloß ein wiederholter – von außen seid, gleich eurem Körper, von Erde, und bloß innen beseelt und vom Himmel; und haltet es für schwerer und nötiger, die zu lieben, die euch verachten, als die, die euch hassen – und wenn unser Abend da ist, so werfe die Sonne unsers Lebens (wie heute die draußen) die Strahlen, die sie vom irdischen Boden weghebt, an hohe goldne Wolken und (als wegweisende Arme) an höhere Sonnen; nach dem müden Tage des Lebens sei unsre Nacht gestirnt , die heißen Dünste desselben schlagen sich nieder, am erkälteten hellen Horizont ziehe sich die Abendröte langsam um Norden herum, und bei Nord-Osten lodere für unser Herz die neue Morgenröte auf……
…. Nun tritt auch die Erdensonne auf die Erdengebirge und von diesen Felsenstufen in ihr heiliges Grab; die unendliche Erde rückt ihre großen Glieder zum Schlafe zurecht und schließet ein Tausend ihrer Augen um das andre zu. Ach welche Lichter und Schatten, Höhen und Tiefen, Farben und Wolken werden draußen kämpfen und spielen und den Himmel mit der Erde verknüpfen – sobald ich hinaustrete (noch ein Augenblick steht zwischen mir und dem Elysium), so stehen alle Berge von der zerschmolzenen Goldstufe, der Sonne, überflossen da – Goldadern schwimmen auf den schwarzen Nacht-Schlacken, unter denen Städte und Täler übergossen liegen – Gebirge schauen mit ihren Gipfeln gen Himmel, legen ihre festen Meilen-Arme um die blühende Erde, und Ströme tropfen von ihnen, seitdem sie sich aufgerichtet aus dem uferlosen Meer – Länder schlafen an Ländern, und unbewegliche Wälder an Wäldern, und über der Schlafstätte der ruhenden Riesen spielet ein gaukelnder Nachtschmetterling und ein hüpfendes Licht, und rund um die große Szene zieht sich wie um unser Leben ein hoher Nebel. – – Ich gehe jetzo hinaus und sink’ an die sterbende Sonne und an die entschlafende Erde.
Ich trat hinaus – –
Auf dem Fichtelgebirg, im Erntemond 1792.
Jean Paul
Erster Sekto r
Verlobung-Schach – graduierter Rekrut – Kopulier-Katze
Meines Erachtens war der Obristforstmeister von Knör bloß darum so
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