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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Teufels geworden wäre; so aber wurd’ er bloß – böse, nicht über den Vater, sondern über die Tochter, und nicht darüber, daß sie das Schachbrett nicht zum Präsentierteller ihrer Hand und ihres Herzens machte, oder daß sie gut gegen ihn spielte, sondern darüber, daß sie so sehr gut spielte. So ist der Mensch! – und ich ersuche den Menschen, meinen Rittmeister nicht auszulachen. Freilich – hätt’ ich die weiblichen Reize und die Rolle Ernestinens gehabt und hätt’ ich ihm, indes er seine Kontraapproche aussann, ins betretne Gesicht geschauet, auf dessen gerundetem Munde der Schmerz über unverdiente Kränkung stand, der so rührend an Männern von Mut aussieht, sobald ihn nicht die Gichtknoten und Hautausschläge der Rache verzerren: so wär’ ich rot geworden und wäre wahrhaftig geradezu mit der Königin (und mir dazu) ins Schach hineingefahren: denn was hätt’ ich da geliebt als strenge Selberbüßung?
    Beinahe hätte am 16. Junius Ernestine diese Büßung geliebt, wie man aus ihrem Briefe sogleich ersehen soll. Denn allerdings ist eine Frau imstande, zweimal 24 Stunden lang eine und dieselbe Gesinnung gegen einen Mann (aber auch gegen weiter nichts) zu behaupten, sobald sie von diesem Manne nichts vor sich hat als sein Bild in ihrem schönen Köpfchen; allein steht der Mann selber unkopiert fünf Fuß hoch vor ihr: so leistet sie es nicht mehr – ihre wie eine besonnete Mückenkolonne spielenden Empfindungen treibt auseinander, widereinander und ineinander ein Fingerhut voll Puder am besagten Mann zu viel oder zu wenig – eine Beugung seines Oberleibs – ein zu tief abgeschnittener Fingernagel – eine sich abschälende schurfichte Unterlippe – der Puder-Anschrot und Spielraum des Zopfs hinten auf dem Rock – ein langer Backenbart – alles. Aus hundert Gründen schlag’ ich hier vor den Augen des indiskreten Lesers Ernestinens Brief an eine ausgediente Hofdame in der Residenzstadt Scheerau auseinander: sie mußte jede Woche an sie schreiben, weil man sie zu beerben gedachte und weil Ernestine selber einmal so lange bei ihr und in der Stadt gewesen war, daß sie recht gut eilftausend Pfiffe mit wegbringen konnte – drei Wochen nämlich.
    »Die vorige Woche hatt’ ich Ihnen wirklich nichts zu schreiben als das alte Lied. Unser Gespiele ennuyiert mich unendlich, und es dauert mich nur der Rittmeister; es hilft aber bei meinem Vater kein Reden, sobald er nur jemand haben kann, den er spielen sieht. Wär’s nicht besser, der gute Rittmeister ließe seinen Kutscher, der den ganzen Tag in unserer Domestikenstube schnarcht, aufwecken und anspannen und führ’ ab? Seit dem Sonntage martern wir uns nun an einer Partie herum, und ich habe mir schon den Ellenbogen wund gestützt – abends soll sie zu Ende.
    Abends um 12 Uhr . Er verlierts allemal mit seinen Springern und durch meine Königin. Wenn er einmal geheiratet hat: so will ich ihm seine Fehlgriffe und meine Kunstgriffe zeigen. Ich bin recht verdrüßlich, gnädige Tante.
    Den 16. Jun . In vier Tagen bin ich von meinem Spieler und Schachbrett los, und ich will dieses nicht zusiegeln, bis ich Ihnen schreiben kann, wie er sich gegen seine müde und unschuldige Korbflechterin benommen. Heute spielten wir oben im sinesischen Häuschen. Da die Abendröte, die gerade in sein Gesicht hineinfiel, verwirrte Schatten unter die Figuren warf und da mich sein rechter Zeigefinger dauerte, der von einem Säbelhiebe eine rote Linie hat und der auf der Schachbande auf lag: so kam ich aus Zerstreuung wahrhaftig um meine Königin, und das abscheuliche Kindtaufgeläute des sinesischen Glockenspiels ließ mir fast kein Dessein – zum Glück kam mein Vater wieder und half mir ein wenig ein. Ich führte ihn nachher in unsern neuen Anlagen im Wäldchen herum, und er erzählte mir, glaub’ ich, die Historie seines linierten Fingers; er ist gegen seinesgleichen sehr wild, aber dabei ungemein verbindlich gegen Frauenzimmer.
    Den 18. Jun. Seit gestern sind wir alle etwas lustiger. Abends brachten zwei Unteroffiziere fünf Rekruten, und da man sagte, es wär’ ein Mensch darunter, der eine ganze geschlagene Armee zum Lachen brächte, gingen wir alle mit hinunter. Unten erzählte der Mensch gerade halblaut einem andern Rekruten ins Ohr, er habe ein eingesetztes Gebiß von lauter falschen Schneidezähnen, und sie fielen alle bis auf einen Eckzahn heraus, wenn er eine Patrone anbisse; er habe aber bloß das Handgeld wegkapern wollen. Er schraubte unsertwegen

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