Saemtliche Werke von Jean Paul
auch wider mich parteiisch; denn ein parteilicher dieser Art fället ein lehrreicheres Urteil als ein unparteiischer aus der Wochentag-Kaste.
Über den Plan eines Romans (aber nicht über die Charaktere ) muß man schon aus dem ersten Bande zu urteilen Befugnis haben; alle Schönheit und Ründe, mit der die folgenden Bände den Plan aufwickeln, nimmt ja die Fehler und Sprünge nicht weg, die er im ersten hatte. Ich wüßte überhaupt keinen Band und kein Heft, worin der Autor recht hätte, den Leser zu ärgern. Die Nähe des Schneeberges hindert mich, es zu beweisen, daß die französische Art zu erzählen (z. B. im Candide) die abscheulichste von der Welt und daß bloß die umständliche, dem Homer oder Voß oder gemeinen Manne abgesehene Art die interessanteste ist. Ferner käm’ ich auf dem Schneeberg an, eh’ ichs nur halb hinaus bewiesen hätte, daß wir Belletristen (ein abscheulicher Name!) insgesamt zwar den Aristoteles für unsern magister sententiarum und seine Gebote für unsre 39 Artikel und 50 Dezisionen halten sollten – daß wir aber doch für nichts von ihm so viele Achtung zu tragen hätten als für seine drei Einheiten (die ästhetische Regeldetri), gegen die nicht einmal Romane sündigen sollten. Der Mensch interessiert sich bloß für Nachbarschaft und Gegenwart ; der wichtigste Vorfall, der in Zeit oder Raum sich von ihm entfernt, ist ihm gleichgültiger als der kleinste neben ihm; so ist er, wenn er die Vorfälle erlebt, und mithin auch so, wenn er sie lieset . Darauf beruht die Einheit der Zeit und des Orts. Also der Anfang in der Mitte einer Geschichte, um daraus zum anfangenden Anfang zurückzuspringen – das zeitwirre Ineinanderschütteln der Szenen – Episoden – so wie das Knüpfen mehrer Hauptknoten, ja sogar das Reisen in Romanen, das den Maschinengöttern ein freies, aber uninteressantes Spiel erlaubt – – kurz alle Abweichungen von dem Tom Jones und der Klarissa sind Sekunden und Septimen im Aristotelischen Dreiklang. Das Genie kann zwar alles gutmachen; aber Gutmachen ist nicht aufs beste machen, und glänzende verklärte Wundenmale sind am Ende doch Löcher am verklärten Leibe. Wenn manche Genies die Kraft, die sie aufs Gutmachen übertretner Regeln wenden müssen, in der Befolgung derselben arbeiten ließen: sie täten mehr Wunder als der heilige Martin, der ihrer nicht mehr bewerkstelligte als zweihundertundsechs – Goethe in seiner Iphigenie und Klinger in seiner Medea tuns vielleicht dem heiligen Martin zuvor….
– – Gegenwärtig trägt man das Einbein (mich) über den Fichtelsee und über zwei Stangen, die statt einer Brücke über diese bemooste Wüste bringen. Zwei Fehltritte der Gondelierer, die mich aufgeladen, versenken, wenn sie geschehen, einen Mann in den Fichtelsumpf, der darin an seinem Vorredner arbeitet und der mit acht Nummern Menschen gesprochen und dessen Werk zum Glück schon in Berlin ist…. Berge über Berge werden jetzo wie Götter aus der Erde steigen, die Gebirge werden ihre Arme länger ausstrecken und die Erde wird wie eine Sonne aufgehen und dann wird ihre weiten Strahlen ein Menschen-Blick verknüpfen und meine Seele wird unter ihrem Brennpunkt glühen….. Nach wenigen Schritten und Worten ist die Vorrede aus, auf die ich mich so lang gefreuet, und der Schneeberg da, auf dem ich mich erst freuen soll. – Es ist gut, wenn ein Mensch seine Lebensereignisse so wunderbar verflochten hat, daß er ganz widersprechende Wünsche haben kann, daß nämlich der Vorredner dauere und der Schneeberg doch komme.
– – In diesen Gegenden ist alles still, wie in erhabnen Menschen. Aber tiefer, in den Tälern, nahe an den Gräbern der Menschen steht der schwere Dunstkreis der Erde auf der einsinkenden Brust, zu ihnen nieder schleichen Wolken mit großen Tropfen und Blitzen, und drunten wohnt der Seufzer und der Schweiß. Ich komme auch wieder hinunter, und ich sehne mich zugleich hinab und hinauf . Denn der irre Mensch – die ägyptische Gottheit, ein Stückwerk aus Tierköpfen und Menschen-Torsos – streckt seine Hände nach entgegengesetzten Richtungen aus und nach dem ersten Leben und nach dem zweiten: seinen Geist ziehen Geister und Körper . So wird der Mond von der Sonne und Erde zugleich gezogen, aber die Erde legt ihm ihre Ketten an, und die Sonne zwingt ihn bloß zu Ausweichungen. Diesen Widerstreit, den kein Sterblicher beilegt, wirst du, geliebter Leser, auch in diesen Blättern finden; aber vergib ihn mir wie ich dir. Und ebenso
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