Saemtliche Werke von Jean Paul
mit Denkmälern ehrt, z. B. Lessing, Leibniz. Da es einem in den deutschen Kreisen so sauer wird, bis man nur eine halbe Rute Steine zum Grabmal eines Lessings oder sonstigen Großen zusammenbringt – das, was von Steinen gute Rezensenten auf einen Literatus schon bei Lebzeiten werfen, wie die Alten auf Gräber, ist noch das meiste –: so erklärt’ ich mich frei auf dem breslauischen Markt, eh’ ich noch den Fetspopel angebissen: »Entweder hier auf diesem Pfefferkuchen ist der Tempel des Ruhms und das Bette der Ehren für deutsche Schriftsteller, oder es gibt gar keinen Ruhm. Wann ist es Zeit, sobald es nicht jetzt ist, es von den Deutschen zu erwarten, daß sie die Gesichter ihrer größten Männer nehmen und bossieren in Eßwaren, weil doch der Magen das größte deutsche Glied ist? Wenn der Grieche unter lauter Statuen großer Männer wohnte und dadurch auch einer wurde: so würde der Wiener, wenn er die größten Köpfe immer vor Augen und auf dem Teller hätte, in Enthusiasmus geraten und wetteifern, um sich und sein Gesicht auch auf Pfeffer- und andern Kuchen, Pasteten und Krapfen zu schwingen. Meusels gelehrtes Deutschland wäre in Backwerk nachzudrucken – man könnte große Helden auf Kommißbrot nachbosseln, um die gemeine Soldateska in Feuer zu setzen und in Hunger nach Ruhm – große Dichter würd’ ich auf Brautkuchen abreißen in eingelegtem Bildwerk, und Heraldiker von Genie auf Haferbrot – von Autoren für Weiber wären süße Dosenstücke in Zuckerwerk zu entwerfen. – Geschähe das, so würden Köpfe wie Hamann oder Liscow allgemeiner von den Deutschen geschmeckt in solcher Einkleidung; und mancher Gelehrte, der kein Brot zu essen hätte, würde eines doch verzieren; und man hätte außer dem papiernen Adel noch einen gebacknen.« – – Was mich anlangt, der ich mein Gesicht bisher noch nirgends gewahr wurde als im Rasierspiegel: so soll man mich damit – denn in Westfalen bin ich am wenigsten bekannt – auf Pumpernickel pappen. – –
Jetzt wieder zur Geschichte! Ein langer kraushaariger Mensch steht in der Nacht vor dem bunten Hause des Apothekers Zeusel, guckt zum dritten erleuchteten Stockwerk, in das er zieht, empor und macht endlich statt der hölzernen Tür die gläserne der Apotheke auf. O mein guter Sebastian! Segen sei mit deinem Einzug! Ein guter Engel gebe dir seine Hand, um dich über sumpfige Wege und Fußangeln zu heben; und wenn du dir eine Wunde gefallen, so weh’ er sie mit seinem Flügel an, und ein guter Mensch decke sie mit seinem Herzen zu! –
In der wie ein Tanzsaal flammenden Apotheke bat sich einer der fettesten Hoflakaien von einem der magersten Provisoren noch einen Manipel und einen kleinen Pugillum Moxa für Seine Durchlaucht aus. Der magere Mann nahm aber hinter seiner Waage eine halboffne Hand voll Moxa und noch vier Fingerspitzen voll – da doch ein kleiner Pugillus nur drei Fingerspitzen beträgt – und schickte alles den Füßen des Fürsten zu: »Wenn wir das gar verbrannt haben,« – sagt’ er und wies auf die Moxa – »so wird Seine Durchlaucht schon ein Podagra haben, so gut als eines im Lande ist.«
Die Ursache, warum der Provisor mehr gab, als rezeptieret war, ist, weil er auch seinen Kirchenstuhl im Tempel des Nachruhms haben wollte; daher überdachte er erstlich ein fremdes Rezept so lange, bis ers genehmigte, und wog zweitens immer 1 / 11 , 1 / 17 Skrupel zu viel oder zu wenig zu, um dem Doktor die Bürgerkrone der Heilung vom Kopf zu nehmen und auf seinen zu setzen: »Bloß mit der Gabe muß ich meine Kuren tun«, sagte er. Viktor gönnte ihm den Irrsal: »Ein Provisor,« sagte er, »der den ganzen Flügel der Wiedergenesenden anführt und dem Doktor bloß den Nachtrab der Leichen zuteilt, hat für dieses Kurzleben schon Lorbeerkränze genug unter der Gehirnschale.«
Der Apotheker Zeusel hat Welt genug, um den Mietmann nicht durch ein aufgenötigtes Empfangs-Essen zu beschweren, und sagte ihm bloß den Zeitungartikel aus dem mündlichen morning chronicle der Stadt, daß der Fürst das Podagra weniger habe als suche und fixiere. Auch gab er ihm den italienischen Bedienten, den der Lord für ihn gemietet hatte, und das Zimmer.
– Und darin sitzt Sebastian jetzt auf der Fensterbrüstung allein und denkt – ohne Blick auf Schönheiten der Stube und der Aussicht – ernsthaft nach, was er denn eigentlich hier vorhabe morgen und übermorgen und länger: »Morgen zünd’ ich sonach los« (sagt’ er und drehte die Quaste der
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