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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Regierrat Jenner sah unter den Beamten lauter krumme Rücken – krumme Wege – krumme Finger – krumme Seelen. – »Aber krumm ist ein Bogen, und der Bogen ist ein Sektor vom Zirkel, diesem Sinnbild aller Vollendung«, sagte der Konsistorialbote Viktor. Allein Jenner ärgerte sich am meisten darüber, daß ihn die Beamten so sehr verehrten, da er sich doch nur für einen Regier- Rat ausgab und für keinen Regenten. – Viktor versetzte: »Der Mensch kennt nur zwei Nächsten; der Nächste zu seinem Kopf ist sein Herr, der zu seinem Fuße sein Sklave – was über beide hinausliegt, ist ihm Gott oder Vieh.« –
    Was sah Jenner noch mehr? –
    Steuerfreie Spitzbuben sah er, die sich an steuerfähigen Armen bereicherten – redliche Advokaten hört’ er, die nicht, wie seine Hofleute oder die englischen Räuber, mit einer tugendhaften Maske stahlen, sondern ohne die Maske, und denen eine gewisse Entfernung von Aufklärung und Philosophie und Geschmack nach dem Tode gar nicht schädlich sein wird, weil sie dann in ihrer eignen Verteidigung Gott die Einrede ihrer Unwissenheit entgegensetzen und ihm vorhalten können: »daß andere Gesetze als landesherrliche und römische sie nicht verbinden können, und Gott sei weder Justinian, noch Kant Tribonian.« – Er sah am Kopfe seiner Landrichter Brotkörbe, und am Kopfe ihrer Untertanen Maulkörbe hängen; er sah, daß, wenn (nach Howard) zwei Menschen nötig sind, um einen Gefangnen zu ernähren, hier zwanzig Eingekerkerte da sein müssen, damit ein Stadtvogt lebe.
    Er sah verdammtes Zeug. Dafür sah er aber auch auf der andern Seite in angenehmen Nächten das Vieh in schönen Gruppen in den Feldern weiden, ich meine das republikanische, nämlich Hirsche und Sauen. Der Konsistorialbote Viktor sagte ihm, er habe diesen romantischen Anblick den Jägermeistern zu danken, deren weiches Herz den fürstlichen Befehl des Wildschießens ebensowenig hätte vollziehen können, wie die ägyptischen Wehmütter den, die Judenknaben totzumachen. Ja der Sportelbote ließ sich in einer Kneipschenke gelbe Dinte und schwarzes Papier hingeben und setzte da, während der Schieferdecker auf dem Dache trommelte, um Schiefer zugelangt zu bekommen, und die Gäste an die Krüge schlugen, um eingeschenkt zu kriegen, und der Wirtsbube auf einem Bierheber zum Fenster hineintrompetete, unter diesem babylonischen Lärm setzte der Sportulnbote eine der besten Bittschriften auf, welche die edle Jägerschaft noch je an den Fürsten abgelassen.
    Schlechte Relation aus der Bittschrift
der Oberjägermeisterei
    »Da das Wild nicht lesen und schreiben könnte: so sei es die Pflicht der Jägermeisterei, die es könnte, für dasselbe zu schreiben und nach Gewissen einzuberichten, daß alles flachsenfingische Wild unter dem Drucke des Bauers schmachte, sowohl Rot- als Schwarzwildpret. Einem Oberförster blute das Herz, wenn er nachts draußen stehe und sehe, wie das Landvolk aus unglaublicher Mißgunst gegen das Hirschvieh die ganze Nacht in der größten Kälte neben den Feldern Lärm und Feuer machte, pfiffe, sänge, schösse, damit das arme Wild nichts fräße. Solchen harten Herzen sei es nicht gegeben, zu bedenken, daß, wenn man um ihre Kartoffeltische (wie sie um ihre Kartoffelfelder) eben solche Schützen und Pfeifer lagerte, die ihnen jede Kartoffel vom Munde wegschössen, daß sie dann mager werden müßten. Daher sei eben das Wild so hager, weil es sich erst langsam daran gewöhne, wie Regimentpferde den Hafer von einer gerührten Trommel zu fressen. Die Hirsche müßten oft meilenweit gehen – wie einer, der in Paris sein Frühstück aus Aubergen zusammenhole –, um in ein Krautfeld, das keine solche Küstenbewahrer und Widerparte des Wilds umstellen, endlich einzulaufen und sich da recht satt zu fressen. Die Hundjungen sagten daher mit Recht, sie zerträten in einer Parforcejagd mehr Getreide, als das Wild die ganze Woche abzufressen bekomme. – Dieses und nichts anders seien die Gründe, welche die Oberjägermeisterei bewogen hätten, bei Sr. Durchlaucht mit der untertänigen Bitte einzukommen,
    Daß Ew. den Landleuten auflegen möchten, nachts in ihren warmen Betten zu bleiben, wie tausend gute Christen tun und das Wild selber am Tage.
    Dadurch würde – getrauete sich die Obristjägermeisterei zu versprechen – den Landleuten und Hirschen zugleich unter die Arme gegriffen – letzte könnten alsdann ruhig, wie Tagvieh, die Felder abweiden und würden doch dem Landmann die Nachlese,

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