Saemtliche Werke von Jean Paul
zurück mit einigen von Wiedergenesenden einkassierten Hühnereiern.
Matthieu nahm sich – nach einem exegetischen Wink an Zeusel – die Freiheit, über das fürstliche Podagra Kuhlpeppers Meinung zu sein. Kuhlpepper, der ein alter Deutscher sein wollte – solche alte Deutsche können sich nie im Zorn, aber recht gut aus Eigennutz verstellen –, feuerte ab und sagte, der englische Doktor sei ein ganzer Ignorant. Zeusel faßte mit einem weiten Lächeln wie mit einem Buchdruckerstock seine höfische Verachtung gegen den groben Mann ein. Der Medikus sah wie der Gleicher, der Apotheker wie Spitzbergen aus. Jetzo wurde bloß über das Podagra geturnt. Der Kampfwärter und Turniervogt Matthieu gab zu verstehen, »Zeusel liebe zwar seinen Fürsten und Herrn, aber er wünsche doch, daß diese Liebe die besten Mittel und die heilsamsten Einflüsse gehabt.« – »In den H—« (sagte Kuhlpepper) »kann der da Einfluß haben.« – Als sich der Apotheker deswegen stolz und verächtlich in die Höhe richtete: drückte ihn der Doktor langsam auf den Stuhl und auf seinen Geldbeutel nieder, und die auf die Achsel eingeschlagne Hand nagelte den kleinen Zierling samt der Börse an den Sessel an.
Diese Befestigung verdroß den Schneidervogel am meisten, und er versetzte, in die Höhe wollend: »noch heute würde er, wenn er zu Rate gezogen würde, Sr. Durchlaucht die jetzige bessere Wahl anraten.« Der Kasernenmedikus mochte vielleicht die Hand zu hurtig von der Achsel abdecken; denn er bestrich damit, wie mit einer Kanone, die Nase seines Gegners, worauf diese ein Blut wie der heilige Januar entließ. Der Evangelist bedauerte es für seine Person, »daß zwei so verständige Männer sich nicht miteinander entzweien und schlagen könnten ohne persönlichen Haß und ohne Hitze, da sie gleich kriegenden Fürsten sich ohne beides anfallen könnten – aber das Bluten bestätige Zeusels Wallung zu sehr«. – Zeusel rief zum Doktor: »Sie Grobian!« – Dieser nahm im Grimme wirklich die Matthäische Meinung an, jener blute nur aus Grimm, und verglich ihn mit den Kadavern, die in alten Zeiten zwar bei Annäherung des Mörders bluteten, aber bloß aus ganz natürlichen Ursachen. Der Medikus suchte also seinen gleich einem Fürsten oben vergoldeten Stecken auf und beurlaubte sich mit der gekrönten Stange, indem er sie einige Male gleichsam magnetisch-streichend über Zeusels Finger führte; aber ich würde den Stab, wenn ich an der Stelle anderer Leute wäre, weder ein Hörrohr für Zeuseln nennen, das der Arzt an ihn, wie man Schwerhörigen öfters tut, anstieß, damit dieser besser hörte, noch auch einen Türklopfer, den er der Wahrheit vorstreckte, damit sie leichter in den Apotheker einkonnte: sondern er wollte bloß seine Finger nötigen, das Schnupftuch fallen zu lassen, damit er ihm ins Gesicht beim Abschied schauen könnte, den er in die schonende Wendung kleidete: »Sag Ers Seinem Doktor, er und Er da, ihr seid die zwei größten Stocknarren in der Stadt.«
Vor den letzten Worten verhielten sich beide Provisores ruhig genug, nicht mit der Zunge – denn der lange Provisor sang als zweites Chor mit demselben Kriegsliede den kurzen an und war echter Anti-Podagrist –, sondern sonst. Wer überlegt, daß der lange meinen Helden wegen seiner Höflichkeit liebte und den kurzen nicht leiden konnte, weil Kuhlpepper alles bei diesem verschrieb, der würde von dem Paare nichts Geringers erwarten als den Widerschein des Billardzimmers; aber der lange Provisor war gesetzt und breitete erhebliche Wahrheiten nie wie Portugal mit Blute aus, sondern er nahm – sobald der Kasernenmedikus den Hofmedikus einen Stocknarren genannt hatte – still den Hut des kurzen Provisors, der in solchen des Zerknickens wegen seine Eier-Gefälle niedergelegt hatte, und setzte besagte Eier dem Professionverwandten ohne Ingrimm auf; und mit geringem Druck paßte er den Doktorhut, der eine halbe Elle zu hoch saß, seinem Freunde – um so mehr, da auch Kastor und Pollux Eierschalen aufhatten – promovierend recht an und ging fort, ohne eben viel Dank für das aufgesetzte Filz-Gefüllsel und den fließenden Gesicht-Umschlag haben zu wollen.
Schlägereien breiten kleine, wie Kriege große Wahrheiten aus. Der Hofkaplan Eymann sandte ein langes Glückwunschschreiben an Viktor und hieß ihn »Jenners Nierenlenker« und bat um seinen Besuch. Ein »Ranzenadvokat« klopfte bei ihm wie bei einer höhern Instanz an und bat ihn um eine fürstliche Einschreitung
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