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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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den Hut vom Kopf ab, aber eine weiße Mütze, die sich bis über die Augenbraunen hereinsenkte, zerrete er noch tiefer nieder: ›zög’ er sie ab,‹ sagt’ er, ›so käm’ er in seinem Leben nicht zum Regiment.‹ Der eine Unteroffizier fing an zu lachen und sagte: ›Er tuts bloß, weil er drei abscheuliche Muttermäler darunter hat, weiter nichts‹ – und ein Kamerad streifte ihm heimlich die Mütze von hinten herunter. Kaum war zu unserem Erstaunen ein Kopf daraus vorgesprungen, der an beiden Schläfen zwei brennende Muttermäler wies, eine Silhouette mit einem natürlichen Haarzopf und gegenüber zwei Iltis-Schwänzchen: so faßte zu unserm noch größeren Erstaunen der Rittmeister den bemalten Kopf an und küßte ihn so heftig wie seinen leiblichen Bruder und wollte sich totlachen und totfreuen. ›Du bist und bleibst doch der Doktor Fenk !‹ sagt’ er. Er muß sehr vertraut mit dem Rittmeister sein und kommt unmittelbar von Oberscheerau . Kennen Sie ihn nicht? Der Fürst lässet ihn als Botaniker und Gesellschafter mit seinem natürlichen Sohn, dem Kapitän von Ottomar , nach der Schweiz und Italien reisen, wie Sie schon wissen werden. Er setzt tolle Streiche durch, wenns wahr ist, was er schwört, daß dieses seine 21 te Verkleidung sei und daß er ebenso viele Jahre habe. Er sieht übel aus; er sagt selber, sein breites Kinn stülpe sich wie ein Biberschwanz empor und der Bader rasier’ ihm im Grunde die halbe Wüste gratis, so viel wie zwei Bärte – seine Lippen sind bis zu den Stockzähnen aufgeschnitten, und seine kleinen Augen funkeln den ganzen Tag. Er spaßet auch für Leute, die nicht seinesgleichen sind, viel zu frei.« – –
    – Ernestine silhouettiert hier den äußern Menschen des Doktors, der wie viele indische Bäume unter äußern Stacheln und dornigem Laub die weiche kostbare Frucht des menschenfreundlichsten Herzens versteckte. Ich werd’ ihn aber ebenso gut zeichnen können wie die Briefstellerin. Da Humoristen wie er selten schön sind – weibliche Humoristinnen noch weniger – und da der Geist sich und das Gesicht zugleich travestiert: so würde ja, sagt’ er, seine schönste Kleidung keinem Menschen etwas nützen – ihm selber und den Schönen am wenigsten – als bloß den Schnitthändlern. Daher waren seine Montierstücke in zwei Fächer gesondert, in kostbare (damit die Leute sähen, daß er die elenden nicht aus Armut trüge) und in eben diese elenden, die er meistens mit jenen zugleich anhatte. Stachen nicht die Klappen-Segel der schönsten gestickten Weste allemal aus einem fuchsbraunen Überrock heraus, der fast in seiner Haar-Mause verschied? Hart’ er nicht unter einem Hut für 1½ Ld’or einen schimpflichen Zopf aufgehangen, den er für nicht mehr erstanden als für drei hiesige Sechser? Freilich wars halb aus Erbitterung gegen diesen so geschmacklosen Krebsschwanz des Kopfes, gegen dieses wie ein Tubus sich verkürzendes und verlängerndes Nacken-Gehenk an der vierten gedankenvollen Gehirnkammer. Sein Schreib-Geschirr mußte schöner als sein Eß-Geschirr und sein Papier feiner als seine Wäsche sein; er konnte nirgends schlechte kleine Federn leiden als bloß auf seinem Hute, den sein Bette – und seine den Ehelosen natürliche Unordnung – sozusagen in einen adeligen Federhut umbesserte; indessen setzte er seinen Bettfedern in den Haaren gute Seekiele hinter den Ohren an die Seite – der Prinzipalkommissarius hätte sie auf dem Reichstag mit Ehren hinter seine stecken können! –
    Um aber keinen Anzugs-Sonderling und Kleider-Separatisten zu machen, ließ er sich von Jahr zu Jahr nach den besten Moden des Narrheit-Journals abkonterfeien und schützte vor, er müsse den Leuten doch zeigen, daß er oder sein Kniestück vielleicht gleichen Schritt mit den neuesten Elegants zu halten wüßten. – Der untere Saum seines Überrocks war gleich dem Menschen oft aus Erde gemacht; allein er drang darauf, man sollt’ es ihm sagen, was es verschlüge, wenn ers leibhaftig wie der Strumpfwürker triebe, dessen Historie ich sogleich erzählen will, um nur nicht ohne alle Moral zu schreiben. Der Mann hatte nämlich das Gute und Tolle an sich, daß er den kotigen Anschrot, womit sich sein Überrock besetzte, wenn er seine Strümpfe in die Stadt auf seinem Rücken ablieferte, niemals herausbürstete oder ausrieb: sondern er griff in eine breite Schere und zwickte damit den jedesmaligen Schmutzkragen und kotigen Horizont mit Einsicht herunter – je länger es nun

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