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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Kahnfahrt auf dem Rhein. Außer den beiden andern englischen Brüdern sind noch Klothilde und Jean Paul anwesend. Man entsinnt sich, daß Jean Paul den Schauplatz nach dem Südwesten Deutschlands verlegt hatte, um den von der Revolution ergriffenen Ländern näher zu sein. Den Hauptinhalt der kleinen Schrift bildet ein Gespräch »Über die Verwandlung des Ich in das Du, Er, Ihr und Sie«, also um die Frage des Altruismus und der Duldsamkeit. Echt Jean Paulisch wird als die »letzte und beste Frucht, die spät in einer immer warmen Seele zeitigt«, genannt die »Weichheit gegen den Harten – Duldung gegen den Unduldsamen – Wärme gegen den Ichsüchtler – und Menschenfreundschaft gegen den Menschenfeind«. In einem mythischen Erfassen des eigenen Geburtstags klingt die Schrift aus, die wohl eine der schwächeren Jean Pauls ist und dennoch eine Summe von dichterischen Schönheiten in sich vereinigt.
    Außerdem ist dem Buch noch ein kleines »Intelligenzblatt der Blumenstücke« beigefügt, nämlich ein Dank an »Septimus Fixlein«. Unter diesem Pseudonym hatte ein unbekannter Verehrer Jean Paul nach dem Erscheinen seines »Hesperus« eine für seine damaligen Verhältnisse beträchtliche Geldsumme zugehen lassen. In der zweiten, 1817 erschienenen Auflage konnte mitgeteilt werden, daß der unbekannte Freund niemand anders als der gütige Dichtervater Gleim gewesen war.
    Die wichtigste Beigabe des Romans aber war die Vorrede. Sie erzählt, wie der Dichter am Weihnachtsabend
1794 in
der Stadt Scheerau (bekanntlich die Residenz in der »Unsichtbaren Loge«) zu dem Kaufmann Jakob Oehrmann in Scheerau (wir kennen ihn aus der »Salatkirchweih in Obersees«) eintritt, um ihm wichtige Wiener Briefe zu bringen. Wie ein idyllisches Verhältnis ihn mit Oehrmanns Tochter Pauline verbindet. Diese Tochter, die der Vater in die Walkmühle seines Geschäfts eingespannt hat, darf nämlich keine Bücher lesen, und so verdorrt ihre arme kleine Seele. Jean Paul aber ist bei seinen Besuchen ihre Leihbibliothek. Er erzählt ihr nämlich alle Romane, die er gerade unter der Feder hat, und so auch den gegenwärtigen, nachdem er den Vater durch Gespräche über Philosophie und Literatur eingeschläfert. Diese Vorrede ist selbst eine Dichtung von echt Jean Paulschem Reiz, aber sie ist mehr: sie will zugleich die tiefste Tendenz seines Schaffens erklären: die gequälten Herzen aufzurichten und zu erlaben. Sein Herz fließt über von Mitleid mit diesen vom Leben zerzausten Geschöpfen, die von dem geschäftlichen Egoismus des männlichen Geschlechts aufgebraucht werden wie eine geringe Ware. Sie will er erlösen, ihnen ihr Wesen klarlegen und aus den Zerschundenen heimliche Prinzessinnen machen. Wir kennen bereits diese Töne, nicht nur aus den großen Romanen, sondern auch etwa aus seinen Bemerkungen zu dem Programm des Rektors Florian Fälbel, wo er in Cordula, der Tochter des herzlosen und pedantischen Schulmannes, eine solche sanfte, vom Leben und der väterlichen Gewalt geknickte Blume darstellt. Solche Töne sind auch in der modernen Literatur, etwa von Peter Altenberg, wieder angeschlagen worden. Aber was hier eine ästhetische Spielerei ist, hatte bei Jean Paul einen ungeheuer ernsten realen Hintergrund. Im Schicksal seiner Mutter hatte er das Leben dieser unter der Härte der Not verkümmerten Geschöpfe kennengelernt, und vielleicht sah er auch unter seinen Freundinnen manche unter der Gewalt eines ungebildeten rohen Vaters leiden. Wir dürfen bei der Beurteilung dieser Seite des Jean Paulschen Schaffens nicht vergessen, daß er von der Schattenseite des Lebens herkam und die Macht der niederdrückenden Armut kannte. Was heute als dekadenter Hang, sich auszuleben, sich darstellt, das war in Jean Pauls Leben furchtbare Wirklichkeit. Überall lebten sie rings um ihn herum, diese Pauline Oehrmanns, in den kleinen Städten und Dörfern des Fichtelgebirges von jedem geistigen Dasein abgetrennt. Seit seine dichterische Kraft durchgebrochen war, kannte er keine höhere und beglückendere Aufgabe, als diese niedergedrückten Geschöpfe mit dem erquickenden Tau seines Wortes aufzurichten. Auch hierin war er der Dichter der Armen, und seine Hauptwirksamkeit beruhte auf der gewaltigen Stimme, mit der er die vom Leben Erdrosselten auf die vollbesetzten Tische der Lebensfreude hinwies. »Meine jetzige Fähigkeit, den Mädchen zu vergeben. O Gott, mache mich sanfter und fester zugleich!« schrieb er einmal in sein Tagebuch zur Zeit, als er sich

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