Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
und gequälten Satirenschreiber bis zum Eintritt in die Seligkeit von Baireuth. Die Frage erhebt sich: Wird er selbst in der großen Welt, in die er nun unmittelbar eintreten soll, heimisch werden, wird er in ihr neue Ziele gewinnen? Bringt er es fertig, wie sein Armenadvokat, der Welt, die hinter ihm liegt, abzusterben, um in der klareren und dünneren Luft eines rein geistigen Daseins, wie Goethe und Schiller, luftige Zelte aufzuschlagen? Oder wie wird alles werden? Hier lag ein Problem von solcher Schwere vor, daß es Jean Paul erst in Jahren begreifen sollte. Es handelt sich auch hier in einem eminenten Sinne um die Frage nach der Verwirklichung des deutschen Geistes. Kann große deutsche Dichtung (daß Jean Paul einer ihrer Vertreter war, hatte er nun bewiesen) den Boden, in dem sie wurzelt, zurückstoßen und in die reine Form europäischer Geistigkeit eingehen? Oder ist sie den Kräften der Erde ewig verbunden? Goethe hatte den letzten Schritt gewagt, von einem Verkünder gotischer Besessenheit war er zum europäischen Menschen aufgestiegen, das Kulturerbe des Altertums austragend und nach einer Form suchend, die von der absoluten Allgemeingültigkeit einer Kulturepoche war. Aber hatte er damit nicht schon aufgehört, an der deutschen Verwirklichung zu arbeiten; suchte er damit noch nach einer Form, die Ausdruck einer Zeit und eines Volkes überhaupt war; machte er sich nicht damit lediglich zum Gipfel, wenn auch zu einem überragenden Gipfel einer einzigen Zeit, vielleicht sogar Modeperiode, die etwa mit »Empire« zu umreißen ist? Jetzt, nachdem Siebenkäs gestorben und auferstanden war, war es für Jean Paul an der Zeit, Goethe zu begegnen, um seine in naher Zukunft liegenden Ziele an diesem Koloß abzuklären in Hinneigung oder Widerspruch. Über diese Frage sollte die allernächste Zukunft entscheiden.
    Bevor wir Jean Paul auf seinem Wege nach Weimar begleiten, müssen wir noch einen Blick auf die andern Arbeiten werfen, die er dem »Siebenkäs« mitgab. Ursprünglich sollte der Roman ja nur ein kleines Seitenstück zum »Quintus Fixlein« werden, und wie diesem dachte er auch der neuen Idyllendichtung eine Reihe kleinerer Arbeiten beizuschließen, um gegenüber dem »Hesperus«, der seinen Siegeszug angetreten hatte, nicht »dümmer und matter« zu erscheinen. Schon durch den Titel »Blumen-, Frucht- und Dornenstücke« zeigte er an, daß es sich nicht nur um eine einzelne Geschichte, sondern um einen Komplex mehrerer Dichtungen handeln sollte. Als »Dornenstücke« standen in dem Ganzen die Berichte von »Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel«, wie der vollständige Untertitel der ersten Ausgabe lautete. Als Blumenstücke fügte er zwei kleinere Arbeiten bei, von denen wir die erste bereits kennen. Es ist die »Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sei«. Jener Aufsatz, den er einst in ursprünglicher Fassung als Rede des toten Shakespeare an Herder geschickt hatte. Das zweite Blumenstück ist die der Fürstin Lichnowsky gewidmete kleine Erzählung »Der Traum im Traume«. Er träumt, er stünde in der zweiten Welt, und die Mutter Gottes sehne sich nach der Nähe des Menschengeschlechtes. In einem Traum wird die Erde herbeigezogen, und Maria erlebt den Schmerz der Auseinandergerissenen und den Schmerz des Greises, der nicht sterben kann, und den Schmerz des zu früh Abgerufenen. Aber der Traum zeigt der Himmelsmutter auch die Seligkeit des irdischen Mutterglücks. Von der schönen Entzückung wird sie erweckt und fällt sanft erbebend um ihren eigenen Sohn. Und auch den irdischen Träumer weckt die Entzückung. »Aber nichts war verschwunden als das Gewitter: denn die Mutter, die im Traum das kindliche Herz an ihres gedrückt, lag noch auf der Erde in der schönen Umarmung – und Sie lieset diesen Traum und verzeiht vielleicht dem Träumer die Wahrheit.« Man erkennt die Dedikation an die fürstliche Mutter, mit deren verzärtelnder Erziehungsmethode übrigens Jean Paul ebensowenig wie der Prinzenerzieher Hofrat Schäfer sympathisierte.
    Das dem zweiten Bändchen beigegebene »Fruchtstück« greift auf die Personen des »Hesperus« zurück. Es handelt sich um einen Brief des Doktors Viktor an Kato, den einen jener drei englischen Brüder aus dem »Hesperus«. Fast sämtliche Personen des Romans machen am 20. März, also einen Tag vor Jean Pauls Geburtstag, der zugleich das Fest des beginnenden Frühlings ist, eine

Weitere Kostenlose Bücher