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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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deren man bedurfte, um das schale Leben wieder interessant zu finden. Etwas Parzivalhaftes war an dem aus entlegenen Landstrichen auftauchenden Dichter. Kein Wunder, daß sich der Zaubergarten Klingsors ihm auftat. In seinen Helden wie Gustav und Klothilde fand man die idealisierten Abbilder der eigenen Person. Ihre Leidenschaften, auf denen noch der Tau der Unberührtheit lag, wollte man auch leben, womöglich jedes Jahr wieder. Von den ernsten und heiligen Zielen Jean Pauls nahm man so gut wie nichts ins Bewußtsein auf. Man berauschte sich an seinem Ethos, nahm die zauberischen Ekstasen seines Werks. Es war ein ungeheures Mißverständnis, das den Dichter und Anwalt der Armen in kurzer Zeit zum Mittelpunkt der adligen literarischen Kreise machte.
    Mit Parzivalreinheit ging Jean Paul unangefochten durch diese Welt hindurch. Er lebte in ihr, aber sie berührte ihn nicht. Kein Gran seines Wesens gab er ihr zuliebe auf, ja er hat alle diese Menschen, die sich an seine Rockschöße hefteten, mit der Grobheit behandelt, die sie verdienten, die ihnen aber wieder nur eine neue Sensation war. Riesenvermögen und Grafschaften wurden ihm zu Füßen gelegt. Er schlug sie aus und reichte schließlich die Hand einem schlichten Bürgermädchen zum Bunde.
    Und dennoch ging er freudig in diese Welt ein, als sie sich ihm, unmittelbar nach dem »Hesperus«, auftat. Am 11. Januar 1796 reiste der Berliner Justizassessor Hans Georg von Ahlefeldt von Baireuth, wo er seiner angebeteten »Minette«, Wilhelmine von Kropff, zu Füßen gelegen hatte, nach Berlin zurück und besuchte in Hof den »genialen Humoristen Richter«. Bei Champagner wurde die Freundschaft geschlossen und besiegelt. Im Handumdrehen duzten sich beide jungen Männer und blieben lebenslange Freunde. Ahlefeldt weihte den Dichter in sein Verhältnis zu Minette, der Frau des Oberstleutnants von Kropff im Regiment v. Unruh in Baireuth, ein. Sie wäre die Klothilde des »Hesperus«. Ein reger Briefwechsel geht zwischen den drei Personen hin und her, und als Jean Paul seine Pfingstfeiertage in Baireuth verlebt, jene denkwürdigen »Hesperuspfingsten«, wie er diesen Baireuther Aufenthalt nennt, lernt er Minette von Angesicht kennen. Diesmal ist er nicht mehr, wie noch bei der Fürstin Lichnowsky, der Anbeter, sondern der Angebetete. Minette fährt ihm bis Berneck entgegen. Sie verfehlen sich, weil Jean Paul zu Fuß gewandert ist und einen andern Weg einschlug. In Baireuth verbringt er einige Tage mit ihr. »Anlangend die schöne Klothilde,« schreibt er an Otto, »so ist alles prächtig und so: Sie fuhr mir Donnerstags bis Berneck entgegen und schickte, da es nichts war, einen noch unerbrochenen in Hof liegenden Brief. Sonnabends früh war nach meiner Ankunft mein erster Griff nach einer Feder, um mich auf fünf Uhr selber vorzuladen. Sie sandte mir sogleich durch den Bedienten ein Billett, worin sie meinen Stundenzeiger um zwei Stunden zurückdrehte: ›Wir wollen alle beide um drei Uhr durch die Eremitage fahren.‹ Ich trabte denn ins untere Stockwerk des Reizensteinischen Hauses und trat durch zwei schöne Zimmer ins dritte, wo sie neben zwei Nachtigallen und neben dem halbverhangenen und unverblümten Fenster saß. Ich sage dir, könnt’ ich sie schildern, so hattest du einen ganz neuen weiblichen Charakter im Kopf oder gar im Herzen. Sie hat keine gebogene noch gerade sondern wellenhafte Nase – einen halb übers Gesicht zergangenen Widerschein der Morgenröte und nichts als Schönheiten auf dem Gesicht, dem bloß ein wenig das weibliche Oval abgeht – die schönste veredelte Berliner Aussprache… Ihre Stuhl- und Fensterreden waren voll Menschenliebe. Festigkeit, Sanftmut – sie duzet sich Gott weiß mit welcher Prinzessin und war am… Hofe, also ist sie gerade so bestimmt und ungeniert, nur talentvoller und herzlicher als die Wiener Fürstin. Du solltest sie gehen sehen. Sie hatte meine Loge ungebunden vor sich liegen und klagte über den zögernden Buchbinder, und zugleich gebunden aus der Lesegesellschaft und gab mir gleich die zehnte Seite des ersten Teils zum Beurteilen oder Verurteilen vor.« Er fährt mit ihr im Wagen durch die Anlagen der Eremitage, verbringt den nächsten Tag mit ihr, lernt ihren Mann kennen. »Ihr Mann ist ein gutmütiger Pommer: sie sagt, sie sei ohne Liebe in der Ehe, doch durch die Achtung für ihn glücklich.« Eine Ehe wie die bekannte der Frau von Stein. Herr von Ahlefeldt versorgt ihr Dasein mit der notwendigen Romantik, ohne

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