Saemtliche Werke von Jean Paul
nach Maienthal, der ihm das große Lob gegeben, ein Schüler Emanuels zu sein, und an kleine Zeichen ihrer Achtung für ihn und an die schöne Verschwisterung seines Herzens mit ihrem – ja da trat die himmlische Hoffnung, dieses geadelte Herz zu bekommen, zum erstenmal unter Musik nahe an ihn, und die Hoffnung ließ die Harmonikatöne wie verrinnende Echos weit über die ganze Zukunft seines Lebens fließen….
»Viktor!« sagte jemand in langsam gedehntem Ton. Er sprang auf und kehrte seine veredelten Züge gegen den – Bruder seiner Klotilde und umarmte ihn gern. Flamin, in welchen alle Musik Kriegsfeuer und freiere Aufrichtigkeit warf, sah ihn staunend, fragend und unmerklich schüttelnd und mit jener Freundlichkeit an, die wie Hohn aussah, die aber allezeit bloßes Schmerzen empfangener Beleidigungen war. »Warum nahmst du mich heute nicht mit?« sagte freundlich Flamin. Viktor drückte seine Hand und schwieg.
»Nein! rede!« sagte jener. – »Laß es heute, mein Flamin, ich sage dirs noch«, versetzte Viktor.
»Ich will dirs selber sagen« (begann jener schneller und wärmer) – »Du denkst vielleicht, ich werde eifersüchtig. Und siehe, kennt’ ich dich nicht, so würd’ ichs auch; wahrlich, ein anderer würd’ es, wenn er dich hier so angetroffen hätte und alles zusammenrechnete, deine neuliche Entfernung aus unserem Gartenhaus in die Laube – dein Schreiben ohne Licht und dein Singen von Liebe« –
»An Emanuel«, sagte Viktor sanft –
»Dein Abgeben dieses Blattes an sie« –
»Es war ein anderes aus ihrem Stammbuche«, sagt’ er –
»Noch schlimmer, das wußt’ ich nicht einmal – Dein Zögern in St. Lüne und tausend andre Züge, die mir nicht sogleich einfallen, dein heutiges Alleingehen« –
»O mein Flamin, das geht weit, du siehst mit einem andern Auge als dem der Freundschaft« –
Hier wurde Flamin, der sich in nichts verstellen konnte, ohne es sogleich zu werden, und der keine Beleidigung erzählen konnte, ohne in den alten Zorn zu geraten, wärmer und sagte weniger freundlich: »Es sehens schon andre auch, sogar der Kammerherr und die Kammerherrin.«
Dieses zerriß Viktor das Herz. »Du Teurer, alter Jugendfreund, so sollen wir auseinander gezogen und gerissen werden, wir mögen noch so sehr bluten; es soll also diesem Matthieu gelingen (denn von dem kommt alles, nicht von dir, du Guter), daß du mich marterst, und daß ich dich martere – Nein, es soll ihm nicht gelingen – Du sollst nicht von mir genommen werden – Siehe bei Gott,« (und hier stand in Viktor das Gefühl seiner Unschuld erhaben auf) »und wenn du mich jahrelang verkennst, so kommt doch die Zeit, wo du erschrickst und zu mir sagst: ich habe dir unrecht getan! – Aber ich werde dir gern vergeben.«
Dieses rührte den Eifersüchtigen, der heute überhaupt (wegen einer besondern Ursache) gelassener war. »Sieh,« (sagt’ er) »ich glaube dir allemal: sag es, tust du nie etwas gegen mich?« – »Nie, nie, mein Lieber!« antwortete Viktor. – »Jetzt verzeih meiner Hitze,« fuhr jener fort, »so hab’ ich schon mit meiner verfluchten Eifersucht einmal Klotilden selber in Maienthal gequält – aber dem Matthieu tue nicht unrecht; er ists vielmehr, der mich beruhigte. Er sagte mir es zwar, was Klotildens Eltern zu merken geglaubt, ja noch mehr – sieh, ich sage dir alles – sie hätten sogar wegen deiner vorgeblichen Neigung und wegen deines jetzigen Einflusses, den der Kammerherr gern zu seiner Wiedererhebung benutzen möchte, von einer möglichen Verbindung mit der Tochter gesprochen, auch gegen diese, und sie ausgeforscht; aber (dir ists doch gleichgültig) meine Geliebte blieb mir treu und sagte Nein.« –
Nun war unserm Freund das vorher so glückliche Herz gebrochen; dieses harte Nein war bisher noch nicht gegen ihn ausgesprochen worden – mit einer unaussprechlichen, niederdrückenden, aber stillen Wehmut sagt’ er leise zu Flamin: »Bleib du mir auch treu – denn ich habe ja wenig; und quäle mich nie mehr so wie heute.« Er konnte nicht mehr reden; die erstickten Tränen stürmten flutend auf sein Herz hinan und sammelten sich schmerzlich unter dem Augapfel – er mußte jetzt einen stillen dunkeln Ort haben, wo er sich recht ausweinen konnte, und in seinem aufgerissenen schmerzenden Innern war bloß der Gedanke noch sanft und balsamisch: »Jetzt in der Nacht kann ich weinen, so viel ich will, und niemand sieht mein zerrissenes Angesicht, meine zerrissene Seele, mein
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