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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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ganzen Tag zum Spaße oder aus Langweile vorher mehr getrommelt als aus Ernst und Liebe nachher. Unter dem ganzen Weg, während Orchester und Kaserne neben meinen Pferden ging, zankt’ ich mich aus, daß ich Flörzhübel vor 17 Jahren zu einer Stadt habilitiert und graduiert hatte, – »Ich meine nicht deswegen,« sagt’ ich zu mir, »weil nachher das landesherrliche Reskript dem Flörzhübel das Stadtrecht und seiner Gendarmerie die Monturen wieder auszog, oder deswegen, weil wir die überzähligen Monturen in Kassel versteigern wollten – sondern weil sie mich jetzt nicht schlafen lassen, welches doch das erste nicht natürliche Ding bleibt.«
    Essen ließen sie mich gar nicht, weils das zweite unnatürliche Ding eines regierenden Herrn ist. Sann mir nicht der flörzhübelsche Restaurateur, der für mich das ganze gekochte und gesottene Mußteil meiner Grafschaft ans Feuer gesetzet hatte, geradezu am Kutschenfußtritt an, ich sollte anbeißen, und da ich ihn – wir Großen setzen nicht ungern den Pöbel durch Verschmähen beneideter Kost in ein hungriges Erstaunen – mit eignem Munde nur um eine Biersuppe ansprach: machte da nicht der Restaurateur eine eitle Miene und sagte: »im ganzen Hotel hätt’ er keine; und hätt’ er sie: so sollten ihm doch die künftigen Traiteurs nicht nachsagen, er habe unter so vielen jus und bouillons seinem gnädigsten Herrn nichts präsentiert als einen Napf Biersuppe«?
    Um das dritte Ding, um die Bewegung und Ruhe zugleich, hätte mich bei einem Haare die Ehrenpforte meines Begräbnisdorfes gebracht, maßen sie mich beinahe erschlug, weil sie und die musizierende Galerie auf ihr hart hinter meinem letzten Bedienten einpurzelten, aber zur Freude der Grafschaft keinem Menschen etwas zerbrachen als dem Bader die Glas-Schröpfköpfe, die er der Ehrenpforte angesetzt und vorgestreckt hatte, damit doch etwas daranhinge, worein die nicht schlechte Illumination zu stecken wäre. Ich wollte schon an und für sich etwas toll werden über die satirischen Schröpfvasen, die ich für satirische Typen und Nachbilder meines gräflichen Ausschröpfens der vollen Allodial- und Feudaladern nehmen wollte, und ich fragte den Schultheiß, ob er dächte, es fehle mir echter Witz; allein sie taten sämtlich Eide, an Witz wäre bei der ganzen Ehrenpforte gar nicht gedacht worden.
    Luft , das vierte nicht natürliche Ding eines Reichs-Erb-Kasperls, hätt’ ich schon haben können; denn bloß etwa des kurzen Mißbrauchs wegen, den die Instrumente und Lungen meiner Vasallen von einem so herrlichen Elemente machten, hätt’ ich wahrlich nicht mich und den Luftsektor um mich so fest in meinen Wagen eingesperrt, als ich wirklich tat – ich muß das ausdrücklich sagen, damit nicht der gute Kelzheimer Kantor sich einbilde, es habe mir nicht gefallen, daß mir sein musikalisches Feuerrohr, seine Trompete, doppelt aus dem Schalloch, sowohl seines Kirchturms als seines Körpers, dermaßen entgegenstach, daß die melodischen Luftwellen aus beiden mir vier Äcker weit entgegengingen, indes noch dazu unten im Turm seine Frau die Glocken melkte, als würd’ ich begraben und nicht sowohl empfangen als verabschiedet – wie gesagt, des musikalischen Ehepaars wegen hätt’ ich den Wagen gar nicht zugeschlossen; aber der Todesgefahr wegen; denn ein freudiges Pikett Fronbauern schoß mir aus 17 Vogelflinten und einem paar Taschenpuffern sowohl Ehrensalven als einige Ladstöcke entgegen.
    Sitzt ein Graf einmal ohne vier nicht natürliche Dinge da: so darf er an das fünfte gar nicht denken, an Ausleerung ; der Sphinkter aller, selbst der größten Poren bleibt samt der Wagentüre zu. Es war also kein Wunder, da ich gar kein Hephata zu irgendeinem Porus sagen konnte, daß ich auffuhr: »Den Henker hab’ ich davon von meinem Sitzen auf der Grafenbank in Regensburg, wenn ich hier auf dem Kutschkissen hocken muß und nichts – verrichten kann, nicht einmal….«
    Echte Leidenschaft , die das sechste nicht natürliche Ding des Menschen ist, wird von nichts so leicht erstickt als von einem atlassenen Hundekissen, auf dem die Pfarrer, Schuldiener und Amtleute, die ein Reichs-Erb-Kasperl hat, ihm die Carmina überreichen, die sie auf ihn haben fertigen lassen: denn darüber ist weder zu lachen, noch zu greinen, noch zu zanken, noch zu loben, noch zu reden.
    Meine Lehnleute und Hintersassen, die mir so viel von meinen sechs unnatürlichen Dingen abfischten, gaben mir eben dadurch die Hälfte des ersten wieder, das

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