Saemtliche Werke von Jean Paul
Zuckerbrot, das der Schulmeister dem Kinde in der ersten Stunde in die Tasche steckt, um es anzuködern, – so auch Geschichten aus der Geschichte. – Aber nur nicht komme die Geschichte selber! Was könnte nicht diese hohe Göttin, deren Tempel auf lauter Gräbern steht, aus uns machen, wenn sie uns zum ersten Male dann anredete, wann unser Kopf und Herz schon offen wären und beide die großen Wörter ihrer Ewigkeitsprache – Vaterland, Volk, Regierform, Gesetze, Rom, Athen – verständen! – Was Herrn Schröckh anlangt, der noch ehrliche Gelehrtenhistorie und reine Waisenhaus-Moral mit beigeschaltet, so schneiden Sie mir, Herr Hofmeister, nur nicht aus seinem Buche die Kupferblätter mit heraus, und am englischen Einband ist mir auch gelegen.
Geographie ist ein gesundes Voressen der kindlichen Seele; auch Rechnen und Geometrie gehört zum frühen wissenschaftlichen Imbiß; nicht weil sie denken lehren, sondern weil sie es nicht lehren (die größten Rechenmeister und Differentialisten und Mechaniker sind oft die seichtesten Philosophen) und weil die Anstrengung dabei die Nerven nicht schwächt, wie Rechenrevisoren und Algebraisten beweisen.
Philosophie aber oder Anspannung des Tiefsinns ist Kindern tödlich oder knickt die zu dünne Spitze des Tiefsinns auf immer ab. – Tugend und Religion in ihre ersten Grundsätze bei Kindern zurückzerspalten, heißet, einem Menschen die Brust abheben und das Herz zerlegen, um ihm zu zeigen, wie es schlägt. – Philosophie ist keine Brotwissenschaft, sondern geistiges Brot selber und Bedürfnis; und man kann weder sie noch Liebe lehren; beide, zu früh gelehrt, entmannen Leib und Seele.
Es gefället mir, daß Sie selber erklärten, Sie würden das Französische dem Lateinischen, das Sprechen den grammatischen Regeln (d.h. den Laufwagen den Theorien von der Muskelbewegung) vorausschicken und die toten Sprachen später vornehmen, weil sie mehr durch den Verstand als durch das Gedächtnis gefasset werden. Latein wird zum Teil darum so schwierig, weil es so frühzeitig vorkommt; im funfzehnten Jahre tut man darin mit einem Finger, wozu man früher die Hand brauchte.
Abscheulich ists, daß auch schon unsere Kinder lesen und sitzen und den Steiß zur Unterlage und Basis ihrer Bildung machen sollen. Das belehrende Buch ersetzt ihnen den Lehrer nicht, das belustigende das gesündere Spielen nicht; die Dichtkunst ist für ein unbärtiges Alter noch zu unverständlich und ungesund; der Lehrer, der vorlieset , muß erbärmlich sein, wenn er nicht weit nachdrücklicher spricht . Kurz keine Kinderbücher!
In ein pädagogisches Stammbuch würden wir beide schreiben: Vergeblich tadeln ist schlimmer als gar nicht tadeln – Fehler, die das Alter nimmt, nehme der Lehrer nicht, der dauerhaftere zu bekämpfen hat, u. s. w. Ihr Katechismus sei Plutarch und Feddersen (aber ohne seinen elenden Stil); d. h. keine Moralien, sondern Erzählungen darnach – und noch dazu in keiner besondern Stunde, sondern zur rechten, damit der Kopf meiner Kinder nicht ein Vokabelnsaal von Moralen, sondern ihr Herz eine durchglühte Rotunda der Tugend werde.
Da der blöde, enge, ängstliche Anstand der dümmste und unnatürlichste ist, so lehren Sie den Kindern den besten, wenn Sie ihnen keinen befehlen ; von Natur achten sie weder silberne Sterne noch silberne Köpfe – gewöhnen Sie ihnen dergleichen nicht ab.
Meine größte Bitte ist – die ich viele Jahre vorher drucken lassen –, daß Sie der spaßhafteste Mann in meinem Hause sind; Lustigkeit macht Kleinen alle wissenschaftliche Felder zu Zuckerfeldern. Meine müssen bei Ihnen durchaus nach ihrem Wohlgefallen scherzen, reden, sitzen dürfen. Wir Erwachsene ständen den abscheulichen Schulzwang unserer Abkommenschaft keine Woche aus, so vernünftig wir sind; gleichwohl muten wir es ihren mit Ameisen gefüllten Adern zu. Überhaupt: ist denn die Kindheit nur der mühselige Rüsttag zum genießenden Sonntag des spätern Alters, oder ist sie nicht vielmehr selber eine Vigilie dazu, die ihre eigne Freuden bringt? Ach, wenn wir in diesem leeren niederregnenden Leben nicht jedes Mittel für den nähern Zweck (wie jeden Zweck für ein entferntes Mittel) ansehen: was finden wir denn hienieden? – Ihr Prinzipal (ein abscheuliches Wort!) hat sich auf seine Verlobung ebensosehr gefreuet als auf seine Hochzeit.
Spielender Unterricht heißt nicht, dem Kinde Anstrengungen ersparen und abnehmen, sondern eine Leidenschaft in ihm erwecken, welche ihm die
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