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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Cuchillo erwähnt worden waren.
    Unter dem Dache einer kleinen aber sauber gehaltenen Hütte lag eine alte Frau im Bette, deren Gesichtszüge jenen Ausdruck anzunehmen schienen, welchen man den hippokratischen nennt. Vor ihr kniete ein bildschöner Jüngling   in der Ledertracht der Gambusinos, über dessen rechte Wange ein seiner Strich lief, der von einer Schnittwunde herzurühren schien, die kaum eine Spur zurückgelassen hatte. Die Frau hatte die Hände auf seine reichen Locken gelegt und sprach mit leiser, angestrengter Stimme:
    »Das ist das Geheimniß, welches mir der Vater anvertraut hat, ehe er seine letzte Reise antrat. Ich habe es Dir mitgetheilt, weil er nicht wieder zurückgekehrt ist und das Gold Dir bei Deiner Armuth viel nützen kann.«
    »Und Du kennst den Namen des Mannes nicht, mit welchem er sich in Tubac verbunden hat?«
    »Nein.«
    »Ich habe nach ihm geforscht, doch nichts erfahren können, als daß er ein wenig hinkt und ein Pferd geritten hat, welches oft stolpert.«
    »Aber Du wirst ihn finden, Tiburcio! Du bist der beste Fährtensucher weit und breit, und wann Du ihn haben willst, so kann er Dir nicht entgehen. Weißt Du, was in der Schrift gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Blut um Blut? Tiburcio, ich gehe in ein anderes Leben, aber ich kann nicht eher scheiden, als bis ich weiß, daß den Mörder die Strafe ereilen werde. Lege Deine Hand in die meine und schwöre mir, daß Du nicht ruhen und nicht rasten wirst, als bis Du ihn gefunden und getroffen hast!«
    »Ich schwöre es!«
    »Ich danke Dir, denn ich weiß, daß Du diesen Schwur halten wirst!«
    Sie legte sich, vom Sprechen ermüdet, zurück und schloß die Augen. Er betrachtete sie mit liebevollem Blicke, in seinem Auge standen große Thränentropfen, als er sich auf ihre hagere Hand niederbeugte, um sie zu küssen.
    »Mutter!«
    »Was willst Du noch, mein Tiburcio?«
    »Ich will Dir danken für all die große und viele Liebe, die ich bei Euch gefunden habe.«
    Ein glückliches Lächeln glitt über ihr Gesicht.
    »Du hast sie uns reichlich belohnt. Wollte Gott, ich könnte Dir Deine rechte Mutter nennen!«
    »Habt Ihr mir Alles gesagt, was Ihr von mir wißt?«
    »Alles.«
    Er schwieg.
    Trotz der Nähe des Todes, welcher seinen Stempel auf die erstarrenden Züge der Sterbenden drückte, gingen Erinnerungen durch die Seele des Jünglings, die ihn weit in die Ferne wiesen. Sie waren sein einziges Besitzthum, welches er mit in die Hütte des Gambusino gebracht hatte, und von ihm mit aller Sorgfalt gepflegt und festgehalten worden. Ein wunderschönes Frauenangesicht, hold und freundlich wie dasjenige eines Engels, hatte sich über ihn geneigt; dann sah er sich auf dem Arme eines wilden Mannes und hörte einen Schuß krachen; auch die Spitze eines Messers meinte er zu fühlen, welches ihm über die Wange ging. Dann hatte er viel, viel Wasser gesehen und war lange, lange Zeit auf einem Schiffe gewesen. Ein fürchterlich großer Mann hatte ihn auf dasselbe gebracht, aber dieser Mann war so lieb und gut gewesen und sie hatten sich Vater und Sohn genannt. Noch heut sah er die Augen dieses Mannes aus einem treuen Gesichte in Liebe und Milde herniederblicken, dann war er einmal mit bluttriefenden Händen und wildem Blicke zu ihm gekommen und hatte gerufen: »Bete, mein Sohn, der Tod ist da!« Ein fürchterliches Geschrei schnitt ihm noch   heut in die Ohren, und nun verließ ihn die Erinnerung, bis er sich in der Hütte seines Pflegvaters Marcos Arellanos wiederfand.
    »Tiburcio!«
    Er erhob den niedergesenkten Kopf in die Höhe und sah, daß der letzte Kampf begonnen hatte.
    »Meine Mutter!«
    Er drückte seine Lippen auf ihre von Schweiß bedeckte Stirn und ergriff ihre kalten Hände, als müsse er sie zurückhalten von dem großen Schritte, den sie jetzt thun sollte.
    »Gott segne Dich jetzt und immerdar. Vergiß nicht Deinen Schwur!«
    Die Worte entflohen nur leise und in immer sich vergrößernden Absätzen ihren Lippen; ihr Körper erbebte konvulsivisch – eine letzte, gewaltsame Bewegung, sie war todt.
    Lange kniete er im Gebete an ihrem Lager, dann erhob er sich, um die Nachbarn herbeizurufen. In jenen Länderstrichen ist der Lebende gezwungen, sich so schnell wie möglich von seinen Todten zu trennen; die Natur zeigt sich gewaltiger und ungestümer, als in der gemäßigten Zone, und gewährt dem Menschen keine Frist zur Zahlung des ihr gehörigen Tributes. Das Grab wurde noch während des Abends angefertigt, und schon am

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