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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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über den See. Dort war jetzt ein durchdringendes Geheul zu hören. Die Abipones hatten ihren Toten und den Verlust ihrer Pferde entdeckt. Der Vater Jaguar konnte nicht auf sie achten, denn die Gefahr drängte. Er ließ das Feuer auslöschen, und dann wurde der nächtliche Ritt mit den fünf Cambas an der Spitze begonnen.
    Es zeigte sich im Verlaufe desselben, daß sie des Weges vollständig kundig waren. Sie hielten genau nach Norden zu, wo der Vater Jaguar eine weite, ununterbrochene Wüste zu finden gedacht hätte. Man ritt nicht Galopp, sondern in vollstem Laufe, und brauchte sich um die ledigen Pferde der Abipones gar nicht mehr zu bekümmern, denn sie kamen freiwillig mit. Ihr Instinkt sagte ihnen, daß das Wetter aus Süden drohe und die Rettung also im Norden zu suchen sei.
    Als man nach einer halben Stunde, um die Pferde nicht zu sehr anzugreifen, eine etwas langsamere Gangart einhielt, war der gelbe Streifen am südlichen Himmel schon bedeutend breiter geworden; sein unterer, breiter Teil begann rot zu flammen. Die Folge davon war, daß die Dunkelheit der Nacht weniger tief war als ‘ vorher. Nach Verlauf von abermals einer halben Stunde hatte der gelbe Streifen mit seiner Basis die ganze Breite des südlichen Horizontes eingenommen und bildete mit seiner bis an den Zenith reichenden Spitze ein Dreieck, in dessen Mittelpunkte sich ein dunkler Fleck zeigte. Dieses Dreieck war so hell, daß unten eine Art von Dämmerung entstand, bei welcher man mehrere hundert Schritte weit ziemlich deutlich sehen konnte.
    »Das ist das Loch, aus welchem der Sturm kommen wird,« sagte der Vater Jaguar, indem er auf den dunklen Fleck deutete, zu Doktor Morgenstern, der mit Fritze ihm zur Seite ritt.
    »Wird er gefährlich werden?« antwortete der Genannte.
    »Ob für uns, das kann ich nicht wissen; aber Schaden anrichten wird er sicherlich. So ein Orkan türmt die Wogen bergeshoch auf, reißt große Lücken in die dichtesten Wälder und wirft die festesten Häuser ein.«
    »Und da wollen wir uns vor ihm in eine Ansiedelung, also in Häuser, flüchten? Daß sich Gott erbarm! Er wird sie uns über dem Kopf zusammenstürzen, und wir werden unter den Trümmern unsern unvermeidlichen Untergang, lateinisch Exitium genannt, finden.«
    »Eigentlich sollte man das freilich denken; aber ich verlasse mich auf den Häuptling, welcher nicht nur die Gewalt des Orkanes, sondern auch die Verhältnisse unsres Zufluchtsortes kennt.«
    »Wat können uns die Verhältnisse nützen, wenn sie vom Sturm umjeworfen werden,« meinte Fritze. »Ik habe schon manchen Pampero mit erlebt; aber so ein Hurrican soll noch wat janz andres sind. Ik jebe in diesem Augenblick vor mein Leben keinen roten Pfifferling. Sehen Sie Ihnen doch mal dat Himmelsjewölbe an! Ist dat noch Himmel zu nennen? Nein, wie die reine Hölle sieht es aus. Allen Respekt vor ein schönes Firmament; aber wenn es sich mit Kupferrot und Schwefeljelb überzieht, so kann’s mich bange werden. lk habe auch kein Vertrauen zu die Ansiedelung. Ansiedelung von die Niedermetzelung! Wat haben wir dort zu erwarten? Wat Besseres wohl nicht!«
    Es war gar kein Wunder, daß selbst Fritze ein Grauen verspürte, der komische Kauz, welcher sich sonst nicht so leicht aus der Fassung bringen ließ. Der Himmel sah jetzt wirklich höllisch aus. Das Dreieck wuchs immer weiter nach Norden und wurde an seiner Grundfläche breiter und breiter. Dieselbe nahm, als man anderthalb Stunden geritten war, schon die Hälfte des Horizontes ein.
    Bei dem jetzt herrschenden Dämmerscheine war zu sehen, daß der Ritt über eine mit kurzem Grase bewachsene Fläche ging, welche sich hier und da zu niedrigen Hügeln erhob. Diese wurden nach und nach häufiger und höher. Meist waren sie von sanft abgerundeter Gestalt, doch kam man auch an einigen vorüber, welche schroffe Felsenbildung zeigten.
    »Das beruhigt mich,« sagte der Vater Jaguar. »Den besten Schutz können wir an der Nordseite eines festen Felsens finden. Und da ein jeder, der sich hier niederläßt, mit den Verhältnissen des Landes, also auch mit den verheerenden Stürmen zu rechnen hat, so steht zu erwarten, daß die Ansiedelung, welcher wir entgegeneilen, an einer so geschützten Stelle angelegt worden ist.«
    Es sollte sich bald zeigen, daß er ganz richtig vermutet hatte. Man gelangte zwischen Hügeln hindurch in ein breites Thal, welches auf der südlichen Seite von einer hohen Felsenmauer und auf der nördlichen von sanften, bewaldeten Höhen eingefaßt

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