Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Abipones, welche sich vorbereiten, von allen Seiten auf uns einzudringen.«
»Ich habe etwas Ähnliches gehört und denke, daß es nicht so schlimm werden wird, wie es den Anschein hat. Du warst heute mit Lieutenant Verano zusammen?«
»Ja, Señor, ich und noch vier von meinen Leuten, welche sich jetzt draußen am Walde bei den Pferden befinden, die wir mitgebracht haben. Wir sechs fielen heute früh den Abipones in die Hände, welche uns nach der Zwillingsquelle schleppten, um uns morgen im See zu ersäufen. Haukaropora und der andre Knabe haben uns errettet.«
»Diese beiden? Wie ist – –«
Er hielt mitten in der Frage inne, denn er sah, daß der dunkle Himmel im Süden eine Stelle zeigte, welche eine ganz eigenartige schwefelgelbe Farbe angenommen hatte. Dann fuhr er hastig fort:
»Wie viele Abipones befinden sich da drüben?«
»Sieben- oder achtmal zehn,« antwortete der Häuptling. »Und gerade so viel Pferde haben wir mitgebracht, denn wir nahmen ihnen alle weg, sie liefen der Madrina nach.«
»Das ist ein Abenteuer, welches ich mir sofort ausführlich erzählen lassen möchte; aber wir haben nicht die Zeit dazu. Häuptling, siehst du im Süden den gelben Strich, und weißt du, was er bedeutet?«
Der Gefragte antwortete:
»Ich habe ihn schon längst gesehen, Señor. Es naht ein Hurrican, welcher die Wälder zerbricht und das Feuer in großen Ballen vom Himmel wirft. Auch die Pferde fühlen es; sie werden unruhig und wollen nicht stehen.«
»Ja, wir befinden uns in Gefahr. Bleiben wir, so können wir von den Bäumen zerschmettert werden; gehen wir fort, so rollt uns der Orkan wie Sandkörner über den Campo. Ich kenne die Gegend nicht. In zwei Stunden wird der Sturm losbrechen. Wir müssen uns also schnell entscheiden.«
»Ich kenne die Gegend, Señor. Wir werden reiten, und wenn wir uns beeilen, werden wir uns noch vor dem Ausbruche des Hurricans in Sicherheit befinden.«
»Wo soll unser Zufluchtsort sein?«
»Im Asiento de la mortandad«
»Welch ein schlimmer Name. Ich habe ihn noch nie gehört, weil ich in dieser Gegend noch nicht über die Zwillingsquelle hinausgekommen bin. Doch darüber später. Du glaubst also, daß wir diese Ansiedelung noch vor Ausbruch des Sturmes erreichen?«
»Ja.«
»Und kennst den Weg?«
»Ich war mehr als hundertmal dort, und auch meine Leute kennen ihn.«
»Ob ihr ihn aber in dieser Dunkelheit finden werdet?«
»Wir verfehlen die Richtung nicht, Señor. Sie wissen ja auch, daß es nicht mehr lange so finster bleiben wird, wie es jetzt ist. Der Himmel wird voll Feuer werden.«
»Das ist wahr. Rüsten wir also zum schleunigen Aufbruche. Nehmt besonders die Gewehre in acht, daß sie nicht leiden!«
Nach diesen Worten ließ er sich von dem »Harten Schädel« hinaus zu den erbeuteten Pferden führen, welche von den vier Cambas kaum zusammengehalten werden konnten, da sie die Annäherung des Unwetters spürten.
So viele Pferde bekommen zu haben, war eigentlich ein Vorteil, welcher später sehr günstig in die Wagschale fallen konnte; in diesem Augenblicke aber hätte der Vater Jaguar lieber auf denselben verzichtet. Sie waren zwar aufgezäumt, aber nicht gesattelt; man konnte sie also nicht mit den Gegenständen beladen, die man mit sich schleppen mußte. Darum entschied er kurz:
»Wir nehmen sie mit, geben uns aber keine Mühe mit ihnen. Laufen sie gutwillig, kann es uns lieb sein; wo aber nicht, so mögen sie thun, was sie wollen.«
Sechs von ihnen wurden von den Cambas und dem Lieutenant Verano bestiegen, und diese Männer erklärten sich bereit, jeder noch zwei an den Zügeln nebenher zu führen. Als der letztere die Gewehre bemerkte, welche die Leute des Vaters Jaguar aufgeladen hatten, fragte er, woher dieselben seien.
»Wir haben sie ausgegraben,« antwortete Geronimo.
»Wo?«
»Unterwegs, an verschiedenen Orten.«
»Tiempo tonitroso! So sind es die, welche ich suche! Ich konfisziere sie!«
»Aus welchem Grunde?«
»Sie gehören uns. Sie sind aus dem Zeughause gestohlen worden.«
»Wirklich? Das klingt wie ein Kindermärchen. Erzählen Sie es dem Vater Jaguar; der wird Ihnen die Antwort geben, welche ich doch lieber unausgesprochen lassen will.«
»Glauben Sie meinen Worten etwa nicht, Señor?«
»Ich glaube alles, was ich sehe. Bringen Sie mir das Zeughaus und die Spitzbuben hierher, so werde ich sehen, was ich zu denken habe. Übrigens haben wir jetzt auf andres zu achten. Horchen Sie da hinüber!«
Er deutete mit der Hand in der Richtung
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