Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
vielleicht zwei: eine für das Wasser und eine für das Erdöl. Ihr seht, man braucht das letztere nur so abzuschöpfen und in die Fässer zu füllen.«
Rollins wußte vor Entzücken weder aus noch ein. Baumgarten war nüchterner und bemerkte auf die letzten Worte:
»Ja, man braucht nur abzuschöpfen; aber was dann, wenn abgeschöpft worden ist? Wann und wie stark läuft es nachher wieder zu?«
»Natürlich schnell, so schnell, daß gar keine Unterbrechung der Arbeit eintreten wird.«
»Das möchte ich nicht ohne Kritik annehmen. Es kann doch nur soviel zulaufen, wie abläuft. Nun seht den spärlichen Abfluß hier, welcher unser Wegweiser gewesen ist. Ich glaube, das Wässerchen führt pro Stunde keinen Liter Oel mit sich fort; das ist die Ausbeute, die ganze Ausbeute, die wir zu erwarten haben.«
»Meint Ihr? Nicht mehr? Nicht mehr als bloß einen Liter in der Stunde?« fragte der Bankier im Tone bitterster Enttäuschung.
Der Mund blieb ihm vor Schreck offen stehen; sein Gesicht war leichenblaß geworden.
»Ja, Mr. Rollins, so ist es,« antwortete der Buchhalter. »Ihr müßt doch zugeben, daß der Zufluß nicht größer als der Abfluß sein kann? Und wenn er größer wäre, zehnmal größer, hundertmal! Was sind hundert Liter Oel in der Stunde? Nichts, gar nichts. Rechnet die Höhe des Anlage- und des Betriebskapitals, die Abgelegenheit dieser Gegend, die hier vorhandenen Gefahren, die Schwierigkeit des Absatzes! Und hundert Liter pro Stunde!«
»Kann es denn nicht doch mehr sein? Ist es nicht möglich, daß Ihr Euch irrt?«
»Nein und abermals nein. Wie alt ist dieser See? Die Jahre sind nicht zu zählen. Seit seiner Entstehung sind Jahrhunderte oder Jahrtausende vergangen; es fließt so wenig ab. Wenn mehr Oel zuflösse, wie hoch müßte es dann auf dem Wasser stehen! Nein, es ist nichts, gar nichts hier zu holen!«
»Nichts, gar nichts!« wiederholte der Bankier, indem er mit beiden Händen nach dem Kopfe griff. »Also alle Hoffnung, alle Freude vergeblich! Den weiten, weiten Weg umsonst gemacht! Wer soll das aushalten; wer kann das ertragen!«
Auch der Oelprinz war über die Worte des Buchhalters erschrocken. Mit welchen Mühen und unter welchen Gefahren hatte er das Petroleum faßweise und nach und nach hierher geschafft und versteckt! Was hatte es ihm gekostet! Und nun er so nahe am Erfolge stand, sollte das alles vergeblich gewesen sein! Es flimmerte ihm vor den Augen; er fühlte sich ratlos, konnte kein Wort hervorbringen und richtete seine Blicke hilfesuchend auf seinen Stiefbruder Buttler.
Dieser hatte schon wiederholt gezeigt, daß er ihm an Schlauheit überlegen war, und auch jetzt zeigte es sich, daß der frühere Anführer der »Finders« sich nicht so leicht aus der Fassung bringen ließ. Er gab ein kurzes, überlegenes Lachen zu hören und sagte zu dem Bankier:
»Was lamentiert Ihr denn, Mr. Rollins? Ich kann Euch nicht begreifen! Wenn es mit dem, was Ihr jetzt denkt und sagt, seine Richtigkeit hätte, so würde es Grinley nicht eingefallen sein, so große Hoffnungen auf das Gloomy-water zu setzen.«
»Meint Ihr?« fragte Rollins schnell, indem er neuen Mut bekam.
»Ja, das meine ich. Und wenn das Oel hier nur so in Fässern zu schöpfen wäre, so würde er Euch den Platz nicht angeboten, sondern selbst behalten haben. Es ist eben die Sache, daß die Gewinnung des Oeles einige kostspielige Vorbereitungen erfordert, zu denen er nicht die Mittel besitzt.«
»Vorbereitungen? Welche?«
»Hm! Es wundert mich sehr, daß Ihr das nicht selbst findet. Habt Ihr vielleicht einmal Physik studiert?«
»Nein.«
»Hm! Schade drum! Brauchte Euch dann keine lange Erklärung zu geben. Will aber versuchen, es Euch deutlich zu machen. Ich setze den Fall, Euer Pferd liegt da im Grase und Ihr steigt in den Sattel. Wird es mit Euch aufstehen können?«
»Ja.«
»Ihr denkt also nicht, daß Ihr ihm zu schwer seid?«
»Nein; es steht auf.«
»Well. Setze aber den andern Fall, daß anstatt des Pferdes ein Schoßhündchen hier läge. Würde das Euch auch in die Höhe bringen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich ihm zu schwer wäre.«
»Nun wohl, wendet das doch einmal auf das Petroleum an!«
»Wieso?« fragte Rollins, der das, was Buttler meinte, nicht zu erraten vermochte.
»Mein Beispiel soll sagen, daß ein schwerer Körper, der auf einem leichteren lastet, diesen niederhält. Das begreift Ihr wohl?«
»Jetzt allerdings.«
»Und auch Ihr, Mr. Baumgarten?«
»Ja,« nickte der Genannte,
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