Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
würde!«
Der Engineer hatte eine ganz andre Haltung angenommen; sie war eine fast devote zu nennen; er antwortete:
»Dieser Eurer Erzählung hätte es gar nicht bedurft, Mister Frank. Ich kenne diese beiden Gentlemen schon seit langer Zeit, allerdings nur ihrem Rufe nach, der durch die ganzen Staaten geht. Hätte ich gewußt, daß sie es sind, die mir die Lokomotive brachte, der Empfang wäre ein ganz andrer gewesen. Ich eile, alle meine Leute zu wecken und – – –«
»Halt!« unterbrach ihn da Old Shatterhand. »Wir wünschen unerkannt zu bleiben. Die Gründe dazu werdet Ihr bald erfahren. Wir wollten nicht lange hier bleiben; da wir aber unsern guten Frank so unerwartet getroffen haben, wird es wohl ein Stündchen oder auch noch länger dauern, bis wir fortreiten. Also sagt, habt Ihr einen Ort, wo wir unsre Pferde sicher einstellen können?«
»O, Mister Shatterhand, ich werde Eure Pferde grad wie Menschen behandeln, denn ich weiß, was für edle Tiere Ihr und Winnetou reitet. Wir nehmen sie mit herein in die Halle, wo ihr, wenn ich Euch darum bitten darf, die Güte haben werdet, meine Gäste zu sein.«
Was er »Halle« nannte, war das schon erwähnte langgestreckte Gebäude. Der erleuchtete Teil desselben bildete den Restaurationsraum für die dermaligen Bewohner von Rocky-ground. Daneben gab es ein Gelaß zur Aufbewahrung besserer Güter; es war jetzt leer, und hier wurden die Pferde untergebracht. Man hatte sie also fast unter den Augen und konnte ihrer sicher sein.
Als sie hierauf in die Restauration traten, erhob sich der Boardkeeper verschlafen hinter seinem Tische. Er war nicht zu Bette gegangen, weil er geglaubt hatte, von den erwarteten Gästen etwas zu verdienen. Man hatte wegen des Extrazuges angenommen, daß es vornehme Herren, vielleicht gar Revisoren der Strecke seien. Und nun sah er zu seiner Enttäuschung, daß es einfache Westläufer waren. Er bekam aber schnell einen andern Begriff von ihnen, als der Engineer ihm die zwei berühmten Namen und eine hierauf folgende Bestellung zuraunte.
Noch ehe man sich setzte, hielt es Old Shatterhand für angezeigt, Kas und Has mit dem Hobble-Frank bekannt zu machen. Er sagte also zu dem letzteren in deutscher Sprache:
»Lieber Frank, es ist mir vergönnt, Ihnen eine Freude zu machen. Ich stelle Ihnen nämlich hiermit – –«
»Halt! Still geschwiegen!« unterbrach ihn da der Kleine. »Sie kennen mich, verehrtester Herr Shatterhand. Mich?«
»Natürlich!« lächelte der Gefragte, welcher wußte, daß Frank jetzt eine seiner Eigentümlichkeiten loslassen werde. Bekanntlich war dem Kleinen, so lange er sich der englischen Sprache bediente, seine Originalität nicht anzumerken; sobald er aber deutsch zu reden begann, konnte man sicher sein, sich irgend einer Seltsamkeit erfreuen zu können.
» Bon! Sie, Herr Shatterhand, kennen Ihren Hobble-Frank und wissen also, daß ich ein Mensch bin, der sich seiner abnormen Geistesrechte sehr wohl bewußt is und deshalb seiner Ehre niemals nischt vergibt. Dem Verdienste seine schwedischen Kronenthaler! Die verlange ich für alle Fälle ooch für mich und sehe also schtets darauf, daß ich von meiner devoten Umgebung richtig antituliert werde. Für eenen Mann, wie ich bin, gehört sich das ehrfurchtsvolle Sie, das französische Wuh oder das englische Juh; aber aus Ihrem Munde thut es meinem gefühlvollen Herzen wehe. Ich bin mit Ihnen durch dick und dünn geritten und geloofen; ich habe mit Ihnen gehungert und gekummert; wir haben mit eenander nich nur in Todes-, sondern sogar ooch in Lebensgefahr geschtanden; ich bin, so zu sagen, Ihr geistiges Kind und Ihr leiblicher Vater geworden; unsre Seelen sind sich so innig verschwägert, verschwistert und verwandt, daß ich von Ihnen das Wuh, das Juh und das Sie nich hören mag. Thun Sie mir also den Gefallen, und nennen Sie mich ergebenst nich andersch als nur Du! Wollen Sie?«
Old Shatterhand wiegte den Kopf bedenklich hin und her und ließ ein leises »hm!« als Antwort hören.
»Hm?« fragte der Kleine. »Hier wird gar nischt gehummt und gebrummt! Meine Bitte kommt vom Herzen und is gar nich so schwer zu erfüllen. Werden doch sogar große Herren Du genannt, warum also von Ihnen nich ooch ich!«
»Es ist also wohl Brüderschaft gemeint, lieber Frank?«
»Brüderschaft? Fällt mir nich im Troome ein! Brüderschaft machen nur Menschen, die sich nich höher zu benehmen wissen und ihr orthopädisches Rangdewuh verloren haben. Ich thue das nie, denn ich weeß, was
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