Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
möglich, sie in der Finsternis der Nacht zu entdecken?«
»Wer so fragt, der kann kein Westmann sein!«
» Well! Du sprichst in einem sehr stolzen Tone. Wahrscheinlich bist du geschickter, als wir hier alle sind. Ich erkenne diese fast übermenschliche Geschicklichkeit auch an, indem ich vor Bewunderung darüber überfließe, daß du den Feinden bis hierher hast folgen und dann gar mit ihnen sprechen können, ohne daß sie dich getötet oder wenigstens festgenommen haben.«
»Darüber braucht ihr gar nicht so zu staunen, es ist vielmehr sehr leicht zu erklären. Die Komantschen wissen nämlich gar nicht, daß ich mütterlicherseits von ihren Feinden, den Pinal-Apatschen abstamme; ich habe mich auch stets mit ihnen auf scheinbar guten Fuß gestellt; sie halten mich also für ihren Freund und haben mich auch heute ohne alle Feindseligkeit bei sich empfangen.«
»Schön! Wie aber kamen unsre Gewehre in deine Hände?«
Diese Frage brachte den Mestizen sichtlich in Verlegenheit, doch suchte er dies zu verbergen und antwortete schnell:
»Grad das ist ein Punkt, der euch von meiner Ehrlichkeit und Freundschaft überzeugen muß. Gestern abend sah ich eure Waffen, die ich noch nicht kannte; heut erblickte ich sie wieder bei den Komantschen, und der ›schwarze Mustang‹ rühmte sich, daß er sie euch gestohlen habe. Um euch zu eurem Eigentum zu verhelfen, stahl ich sie ihm wieder, und er ist von hier fortgeritten, ohne es zu bemerken.«
»Dann muß ich bekennen, daß dies ein Meisterstück von dir ist, welches nachzuahmen wohl keinem andern Menschen gelingen würde. Du scheinst ein Ausbund von Klugheit zu sein, während der ›schwarze Mustang‹, der sich diese Gewehre abnehmen läßt, ohne es zu gewahren, jedenfalls ein Ausbund von Dummheit ist. Du wolltest sie uns also wiederbringen?«
»Ja.«
»Wie willst du es dann aber erklären, daß du mit ihnen zu entfliehen versuchtest, als du uns vorhin hier erblicktest?«
»Das war nur vor Schreck über euer plötzliches Erscheinen, denn ich hatte euch nicht sofort erkannt.«
»Nicht erkannt? Und doch nanntest du unsre Namen!«
Ein Wort hierauf zu sagen, war dem Halbblut freilich ganz unmöglich. Er blickte finster vor sich nieder und rief dann in gut gespieltem Zorne aus:
»Fragt nicht nach Dingen, die ihr nicht zu verstehen scheint! Wenn man sich ganz allein und sicher hier in der Wildnis glaubt und plötzlich von Personen überrumpelt wird, von denen man annehmen muß, daß sie sich weit von hier befinden, so ist es doch sehr leicht zu erklären, daß man in der ersten Ueberraschung anders handelt, als man bei ruhiger Ueberlegung handeln würde. Wenn ihr das nicht einseht, so ist es für mich unnütz, noch ein Wort zu verlieren!«
»Ja, ich bitte dich allerdings, kein weiteres Wort zu verlieren, obgleich wir nicht nur dies, sondern noch vieles andre einsehen. Du scheinst anzunehmen, daß wir uns dir sofort nach unsrer Ankunft hier gezeigt haben, befindest dich da aber im Irrtum. Wir steckten schon hier, noch ehe du geritten kamst. Wir haben schon vorher den ›schwarzen Mustang‹ beobachtet und dann jedes Wort gehört, welches du mit ihm gesprochen hast. Er nannte dich den Sohn seiner Tochter; er übergab dir unsre Gewehre, die du ihm gestohlen haben willst, und als er fort war und wir hinter dir standen, warst du so entzückt darüber, diese Waffen zu besitzen, daß du dir vornahmst, sie ihm, dem Vater deiner Mutter, nicht wiederzugeben; du wolltest dich üben, sogar noch besser zu schießen als ich. Was sagst du dazu, Ik Senanda? Welchen Wert können deine Ausreden nun noch haben? Glaubst du noch immer, uns durch feige Lügen zu täuschen? Denn eine Feigheit, eine ganz verächtliche Feigheit ist es, wenn jemand sich vor Angst nicht getraut, seinen Namen anzugeben. Wir sind gewöhnt, den Mut zu achten. Hättest du offen gesagt, wer du bist, hättest du mutig eingestanden, daß es deine Absicht war, die Bewohner von Firwood-Camp den Komantschen auszuliefern, so wäre das deiner Abkunft von dem ›schwarzen Mustang‹ würdig gewesen und wir würden dich zwar als unsern Feind, aber als einen stolzen, achtbaren Feind behandeln; dein feiges Leugnen aber kann uns nur mit Verachtung erfüllen. Du gleichst nicht dem starken Büffel, der ein ganzes Rudel von Wölfen offen mit den Hörnern nimmt, sondern dem niederträchtigen Koyoten, der seine Berns nur von hinten überfällt und lieber stinkendes Aas verzehrt, als daß er es wagt, sein räudiges Fell der geringsten
Weitere Kostenlose Bücher