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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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hören, und über dem Dach flatterte drohend eine schwarze Rauchfahne.
    Bei dem Anblick wurde Venera aufs Neue von der Angst um ihre Freunde erfasst. Garth, Eilen und Moss - was war während Sacrus’ kurzer Besatzung mit ihnen geschehen? Ihr Blick wurde von dem Kabel angezogen, das Liris mit Klein-Spyre verband. Es kam ihr seltsam schlaff vor, und diese nebensächliche Beobachtung fachte ihre Furcht mehr an als alles, was sie heute sonst erlebt hatte.

    Nicht ganz so weit entfernt entdeckte sie Jacoby Sarto. Er ging ohne Begleitung an mehreren Reihen verschüchterter Sacrus-Gefangener vorbei. Als er zu ihr aufschaute, sah sie in seinen Zügen ganz deutlich das gleiche Unbehagen, das auch sie empfand.
    Noch eine Wellenbewegung, diesmal stärker. Venera sah Bäume schwanken, und aus Liris’ Mauerwerk war ein scharfes Knacken zu hören. Einige Soldaten schrien auf.
    Guinevera sah sich um. Mit seinem üblichen Sinn für Dramatik sagte er mit bebenden Lippen: »Dies sollte ein Augenblick des Triumphes für uns sein. Aber was haben wir gewonnen? Was haben wir Spyre angetan?«
    Venera gab sich unbeeindruckt, obwohl es ihr schwerfiel, ihre Unruhe zu verbergen. »Das kann man unmöglich wissen«, erklärte sie. Aber das war eine Lüge: sie spürte es, alle konnten es spüren. Etwas Schreckliches war im Gang.
    Ein Hauptmann kam angelaufen und salutierte eher nachlässig vor den beiden. »Gnädige Frau«, sagte er zu Venera. »Es ist … Man wartet auf Sie. Auf dem Dach.«
    Es überlief sie eiskalt. Für einen Moment sah sie sich wieder auf dem Marmorboden der Admiralität von Rush liegen, aus dem Mund blutend und überzeugt davon, dort allein sterben zu müssen. Dann kauerte sie, die Arme um sich geschlungen, im Innern von Candesce, spürte, wie die Erste Sonne zum Leben erwachte, und wusste, dass ihr nur noch Minuten blieben, bevor sie bei lebendigem Leib verbrannte. Zweimal hätte sie beinahe alles verloren. Jetzt war es wieder so weit.
    Sie warf die kleine Strickleiter hinunter, die an ihrem Sattel befestigt war, und stieg ab. Schmerzhafte Muskelkrämpfe
durchliefen ihre Schenkel und ihren Rücken, aber in ihrem Kiefer regte sich nichts. Sie hätte auch nicht darauf geachtet. Die Erde erbebte, und Jacoby Sarto streckte die Hand aus, um sie zu stützen. Sie sah ihm fest in die Augen.
    »Wenn Sie mit mir kommen«, sagte sie, »auf welcher Seite stehen Sie dann?«
    Er zuckte die Achseln. Von neuem erbebte die Welt. Der Stoß ließ ihn taumeln. »Ich glaube nicht, dass das noch eine Rolle spielt«, sagte er.
    »Dann kommen Sie.« Sie rannten auf die Leitern zu.

21
    Überall in Spyre ächzten Metallteile, die tausend Jahre lang ohne Stimme gewesen waren. Hier am Rand der Welt, wo das Tosen des Windes kein Ende nahm, erschien Venera das leise Stöhnen nicht ganz wirklich; aber es war da. Spyre erwachte, es zitterte, und es lag im Sterben. Alle wussten es.
    Hand über Hand ging es nach oben. Sie versuchte, sich auf die jeweils nächste Sprosse zu konzentrieren. Auf dem Dach waren die Spitzhelme von einigen Guinevera-Männern zu sehen, und sie war beschämend froh, dass sie sich dem, was sie erwartete, nicht allein zu stellen brauchte.
    Sarto stieg neben ihr eine zweite Leiter hinauf. Noch vor einem Monat wäre ihr die Vorstellung, ihm zu vertrauen, wie blanker Wahnsinn erschienen. Und überhaupt, wenn sie eine romantische Heldin in einer der Geschichten wäre, die immer gut ausgingen, hätte sich Bryce, ihr Geliebter, erbieten müssen, an ihrer Seite der Gefahr zu trotzen - nicht ein Mann, dessen Kopf sie bis vor kurzem am liebsten auf einem Spieß gesehen hätte.
    »Pfui Teufel«, sagte sie und kletterte auf das Dach. Dichter Rauch kroch aus der großen quadratischen Öffnung in der Mitte, wogte schwarz und bedrohlich
sechs Meter weit in die Höhe und zerfledderte dann in den Wirbelstürmen am Rand der Welt. Der Rauch bildete einen wallenden schwarzen Teppich hinter Margit, ihren Soldaten und deren Geiseln.
    Die Fahrstuhlplattform war um zwei Meter erhöht worden. Sie war umringt von Ratssoldaten, die ihre Waffen auf Margit und ihre Begleiter richteten. Venera erkannte Garth Diamandis, Moss und den kleinen Samson Odess unter den Gefangenen. Jedem von ihnen wurde ein Gewehrlauf an die Wange gehalten.
    Neben Margit stand eine junge Frau in Uniform. Da Garth sich gleich hinter ihr befand, wusste Venera sofort, wer sie sein musste: sie hatte die hohen Wangenknochen und die grauen Augen ihres Vaters.
    Ihr Blick war auf Margit

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