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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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erzählte ihm von Ursulas Anruf wegen Melvin Findlay.
    Er machte ein langes Gesicht.
    Ich fragte: »Haben Sie etwas von Chickering gehört?«
    »Er hat mich vor einer halben Stunde angerufen. Keine Neuigkeiten, ihr ginge es wahrscheinlich gut, kein Grund zur Sorge - seine Frau ist ja nicht da draußen! Ich habe ihn gefragt, ob wir das FBI einschalten sollten. Er behauptete, es hätte nur dann einen Sinn, wenn Hinweise vorhanden wären, daß es sich um eine Entführung handele, möglichst um einen Transport des Opfers von einem Bundesstaat in einen anderen.« Er warf die Hände empor, ließ sie müde wieder fallen. »Das Opfer - ich mag nicht einmal daran denken, daß sie - aber…«
    Er schloß die Türen. Das Vestibül war erleuchtet, aber das Haus dahinter lag im Dunkeln. Er ging los, um einen Lichtschalter auf der anderen Seite der Halle zu betätigen, seine Sohlen schlurften über den Marmor.
    Ich fragte: »Hat Ihre Frau jemals gesagt, weshalb McCloskey es getan hat?«
    Er blieb stehen, drehte sich halbwegs nach mir um. »Weshalb fragen Sie?«
    »Um sie zu verstehen, wie sie mit dem Attentat umgegangen ist.«
    »Inwiefern umgegangen ist?«
    »Die Opfer von Verbrechen unternehmen oft Nachforschungen. Sie wollen etwas über den Verbrecher wissen, seine Motive kennenlernen, wodurch sie zu Opfern geworden sind, um irgendeinen Sinn darin zu entdecken und sich vor künftigen Gefahren zu schützen. Hat Ihre Frau das jemals getan? Denn niemand scheint zu wissen, welches McCloskeys Motiv war.«
    »Nein, hat sie nicht getan«, er ging weiter, »jedenfalls nicht, soweit ich weiß, und sie hatte keinen blassen Schimmer, warum er es getan hat. Ehrlich gesagt reden wir nicht viel darüber, ich bin ein Teil ihrer Gegenwart, nicht ihrer Vergangenheit. Aber sie hat mir gesagt, daß der Hundesohn sich geweigert hat auszusagen, die Polizei konnte es ebenfalls nicht aus ihm herauskriegen. Er war ein Trinker und drogenabhängig, aber das erklärt es nicht, oder?«
    Er erreichte den Lichtschalter, knipste ihn an und erleuchtete den riesigen Raum, in dem Gina und ich gestern gewartet hatten. Gestern kam mir wie uralte Zeiten vor. Eine Karaffe mit Schwanenhals stand neben mehreren altmodischen Gläsern auf einer tragbaren Bar aus Rosenholz. Er hielt mir ein Glas hin. Ich schüttelte den Kopf. Er goß sich einen Finger breit ein, zögerte, verdoppelte es, stöpselte die Karaffe zu und nippte.
    »Ich weiß nicht«, sagte er, »Drogen waren nie meine Sache. Das hier«, er hob das Glas, »und Bier ist alles, was ich mir zumute. Ich habe ihn nie sehr gut gekannt, nur ein bißchen aus den Studios. Er war eine Klette, hing bei Gina herum wie ein kleiner Blutegel. Er war ein Nichts. Hollywood ist voll von solchen Typen, kein wirkliches Talent, also besorgte er sich Mädchen, zum Modellstehen für den Film.« Er ging tiefer in den Raum hinein, betrat einen Teppich, der seine Schritte dämpfte und die Stille im Haus wiederherstellte.
    Ich folgte ihm. »Ist Melissa schon zurück?« Er nickte. »Oben in ihrem Zimmer. Sie ist schnurstracks hinaufgegangen, sah ziemlich fertig aus.«
    »Ist Noel noch bei ihr?«
    »Nein, Noel ist wieder im Tankard, meinem Restaurant. Er arbeitet für mich, parkt die Wagen, spielt den Pikkolo, serviert hier und da. Ein guter Junge, hat sich wirklich von ganz unten heraufgearbeitet, er hat gute Zukunftschancen. Melissa ist mehr, als er verkraften kann, aber ich schätze, das muß er selbst feststellen.«
    »Zuviel inwiefern?«
    »Zu intelligent, zu hübsch, zu temperamentvoll. Er ist wahnsinnig in sie verliebt, und sie trampelt auf ihm herum, nicht aus Grausamkeit oder Snobismus. Das ist einfach so ihre Art. Sie marschiert einfach geradeaus, ohne zu überlegen.«
    Als wolle er diese Kritik kompensieren, fuhr er fort: »Eins muß man ihr zugestehen, ein Snob ist sie nicht, trotz allem.« Er winkte mit der freien Hand im Raum herum. »Himmel, können Sie sich vorstellen, hier aufzuwachsen? Ich bin in Lynwood groß geworden, als es noch überwiegend weiß war. Mein Vater war selbständiger LKW-Fahrer und hatte ständig schlechte Laune, das heißt, er hatte sehr oft keine Arbeit. Bei uns war immer genug zu essen im Haus, aber das war auch alles. Ich mußte schnorren, hab’s nicht gern getan, aber ich weiß jetzt, daß es mich zu einem besseren Menschen gemacht hat. Nicht, daß Melissa kein guter Mensch ist, im Grunde ist sie ein richtig gutes Kind. Sie ist es nur gewohnt, daß alles nach ihrer Pfeife tanzt. Wenn sie etwas

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