SÄURE
dreißig Minuten zu euch rüberzufahren.«
»Ich glaube, es wäre gut, wenn du herkämest.«
»Ja, wirklich?«
»Ja.«
»Ziemlich zittrige Knie, was? Beruhigungstherapie?«
»Ja.«
»Augenblick!« Hand über dem Hörer. »Yeah, okay, Dr. Silverman ist nicht glücklich darüber, aber er ist ja wie ein Heiliger in der Hinsicht. Vielleicht kann ich ihn sogar dazu bringen, daß er mir eine Krawatte aussucht.
Ramp und ich warteten, ohne viel zu reden. Er trank und versank immer tiefer in den tiefen Polstern. Ich dachte darüber nach, wie Melissa reagieren würde, wenn ihre Mutter nicht bald wiederkam, und ob ich zu ihr hinaufgehen sollte, um nach ihr zu sehen, erinnerte mich aber, daß Ramp gesagt hatte, sie sei »fertig«. Daher beschloß ich, sie in Ruhe zu lassen. So wie die Dinge sich entwickeln mochten, mußte sie sich möglicherweise auf eine ganze Reihe schlafloser Nächte einstellen.
Nahezu eine Stunde verging, als die Türglocke läutete. Ich war vor Ramp am Eingang und öffnete. Milo tappte herein, besser angezogen denn je: Marineblauer Blazer, graue Hose, weißes Hemd und Krawatte. Er war sauber rasiert und hatte die Haare geschnitten - wie üblich miserabel, hinten und an den Seiten zu kurz, aber die Koteletten bis in Höhe der Ohren gekürzt. - Drei Monate Diensturlaub, und er sah immer noch wie ein Polyp aus.
Ich stellte die beiden einander vor und sah, wie sich Ramps Gesichtsausdruck veränderte. Seine Augen wurden schmal, und sein Schnauzbart zuckte, als ob ihn Flöhe plagten. - Eisenhartes Mißtrauen! Milo muß es auch gemerkt haben, aber er ignorierte es.
Ramp starrte noch eine Weile, dann sagte er: »Ich hoffe, Sie können helfen.« Es lag noch mehr Mißtrauen in der Luft.
Es war eine Weile her, daß man Milo im Fernsehen gesehen hatte, aber vielleicht hatte Ramp ein gutes Gedächtnis, Schauspieler - sogar dumme - hatten das oft. Oder vielleicht war sein Mißtrauen durch die gute alte Homophobie geweckt worden. Ich sagte: »Detektiv Sturgis ist von der Los Angeles Police beurlaubt.«
Ramp starrte.
Milo fing schließlich auch an, ihm ebenfalls diesen Gefallen zu tun.
Die beiden starrten einander an, als hätten sich ihre Augen ineinander verhakt. Ich mußte an zwei Bullen denken, die vor dem Rodeo in ihren nebeneinanderliegenden Käfigen lauerten, schnaubten, mit den Hufen scharrten und gegen die Planken schlugen.
Milo gab es als erster auf. »Soviel hab’ ich bisher erfahren.« Er wiederholte beinahe wörtlich, was ich ihm berichtet hatte. »Stimmt das?«
»Ja«, sagte Ramp.
Milo grunzte, zog einen Notizblock und einen Stift aus einer Jackentasche, blätterte um und zeigte mit seinem dicken Finger darauf. »Ich habe mir bestätigen lassen, daß die Polizei von San Labrador Gina Ramp im ganzen County zur Fahndung ausgeschrieben hat, was gewöhnlich eine Zeitverschwendung ist, aber bei diesem Wagen vielleicht nicht. Sie haben die Wagenbeschreibung, eine 54er Rolls-Royce Limousine, Zulassungsnummer AD RR SD, Identifikationsnummer des Wagens: SOG 22. Richtig?«
»Richtig.«
»Farbe?«
»Schwarz auf muschelgrau.«
»Besser als ein Toyota«, sagte Milo, »was Auffälligkeit angeht. Bevor ich herkam, habe ich ein paar Erste-Hilfe-Stationen in der Gegend angerufen. Niemand, auf den ihre Beschreibung paßt, ist eingeliefert worden.«
»Gott sei Dank«, murmelte Ramp, er schien zu schwitzen.
Milo sah zur Decke hinauf, senkte den Kopf und nahm den Raum mit einem schweifenden Blick in sich auf. »Nettes Haus, wie viele Räume?«
Die Frage traf Ramp unvorbereitet. »Ich bin nicht ganz sicher - hab’ nie gezählt. Etwa dreißig, fünfunddreißig, nehme ich an.«
»Wie viele benutzt Ihre Frau tatsächlich?«
»Benutzt? Im Grunde nur ihre Suite. Es sind drei Räume, vier mit dem Badezimmer: Wohnzimmer, Schlafzimmer, ein Nebenraum mit Bücherregalen, einem Schreibtisch, ein paar Gymnastikgeräten, einem Kühlschrank.«
»Klingt wie eine Wohnung innerhalb einer Wohnung«, sagte Milo. »Haben Sie auch eine?«
»Nur einen Raum«, sagte Ramp und wurde rot, »gleich neben ihrem.«
Milo notierte etwas. »Können Sie sich irgendeinen Grund vorstellen, weshalb sie beschlossen hat, allein in die Klinik zu fahren?«
»Ich weiß es nicht, es war nicht so geplant. Ich sollte mit ihr hinfahren. Wir wollten um drei Uhr los. Sie rief mich um Viertel nach zwei an - ich war in meinem Restaurant - und sagte, ich brauche nicht nach Hause zu kommen, sie würde alleine hinfahren. Ich habe sie noch einmal
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