Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
verzeichnet, die ich vor Flugantritt alleine in meinem Arbeitsbereich überprüfen muss: Die Druckanzeige der Feuerlöscher, die Arbeitstasche mit den Utensilien zur Bombensuche, ob unter jedem Sitz eine Schwimmweste ist, ob die Notruftasten in den Toiletten funktionieren, genug Klopapier vorhanden ist und das Notfall-Kit bei Schweinegrippeverdacht griffbereit zur Verfügung steht.
Dann erreichen wir die A-IMCL. Aus der Nähe und von unten betrachtet, ist so ein Flugzeug noch viel imposanter, als man denkt. Über eine kleine Treppe steigen wir hinauf in die Fluggastbrücke und von da aus in die Maschine. Kurz werfe ich einen Blick die Gangway hinauf zum Terminal, das ich so gut wie nie zu sehen bekommen werde.
Dann begrüßen wir als Erstes die Piloten, die von einer anderen Maschine kamen und bereits an Bord sind. Wieder outet mich mein Button unschön als Neuling und der Kopilot fühlt sich berufen, mich mit einem Witz willkommen zu heißen:
»Treffen sich zwei Mäuse. Sagt die eine: ›Ich habe einen neuen Freund!‹ Sagt die andere: ›Zeig mir mal ein Foto!‹ Die erste Maus holt verschämt ein Bild hervor, und die zweite betrachtet es voller Entsetzen: ›Iiiiiiiiiiiiiiiih – eine Fledermaus!‹ ›Na und?‹, verteidigt sich die erste. ›Hauptsache, Pilot!‹«
Von jetzt an bis zum Einsteigen der Passagiere, bleiben uns gerade mal acht Minuten.
»Scharlott, wenn du fertig bist, baust du bitte die Pots auf?«, weist Antoine an.
Ich bemühe mich, schnell und mit zitternden Händen Milch, Zucker, Salz, Pfeffer und Becher auf den Plastikschienen anzuordnen, die im Flug rechts und links am Trolley befestigt werden. Da es für das Flugzeug der erste Start des Tages ist, hat das Catering alle Utensilien frisch gespült und eingeschweißt geliefert.
»Hast du die Seitschriften fertig?«, drängt Antoine.
Ich bin gerade mal dabei, die Kaffeekanne und die Eiszange aus der Folie zu zerren. Vor mir türmen sich drei ebenfalls eingeschweißte Stapel mit Stern , Spiegel , Focus und Wirtschaftswoche . Ich öffne sie, schneide mich an dem Plastikstriemen, der sie zusammenhält, und ziehe holprig den Aeroserver aus seinem Versteck, einen kleinen grauen Wagen mit zwei Etagen. In der Fluggastbrücke stelle ich ihn auf und bemühe mich, die circa zwanzig verschiedenen Tageszeitungen übersichtlich zu dekorieren.
»Unsere Gäste kommen«, sagt Antoine plötzlich über Lautsprecher, damit auch Ingrid hinten vorbereitet ist. Sofort nimmt sie ihre Position ein und lächelt mit offenem Blick in die Kabine.
Schon kommen Männer mit Koffer und Krawatte auf mich zu. Ich beziehe ebenfalls flugs meine Stellung neben Antoine an der Eingangstür und strahle ihnen entgegen.
»Guten Morgen!« Da, das war er – mein allererster Fluggast! Am liebsten würde ich ihm ein Schild umhängen und Konfetti auf ihn regnen lassen. Aber er ist nur unspektakulär in die FAZ vertieft und würdigt mich keines Blickes. Mensch um Mensch betritt den Flieger und mustert mich entweder intensiv oder ignoriert mich, stößt sich dabei den Kopf am Eingang oder versucht, über mich hinweg nach den Zeitschriften für die Businessclass zu greifen, die ich in die Küche auf eine Ablage gelegt habe. Mitfühlend setzt Antoine dem nach kurzer Zeit ein Ende und deckt sie mit einer Serviette ab, nachdem ein Mann mit seinem Manschettenknopf beim Angeln nach dem Stern in meinem Ohrring hängen bleibt.
»Keine Sorge, das lernst du noch«, flüstert Antoine mir ins unbeschädigte Ohr. »Die nehmen sich alles, was nicht festgeschraubt oder gut versteckt ist. Zuletzt hat einer meine private Packung Zigaretten mitgenommen und meine Handcreme.«
Alle zehn Sekunden stockt die Schlange, weil jemand sich und sein Gepäck sortiert und dabei in aller Seelenruhe im Gang stehen bleibt, statt erst mal in seine Reihe zu schlüpfen.
Die meisten sind freundlich, lächeln; Antoine macht Scherze und versucht, zu jedem Einzelnen etwas Persönliches zu sagen. Wenn er einen spanischen Pass sieht, begrüßt er den Besitzer gleich mit: »Buenas dias! Que tal?«
Ich drücke derweil ein paar Kindern Comic-Hefte, Kinder-Sudoku und süße Plüsch-Kerosinchen in die Hand.
Als die Businessclass vorne voll besetzt scheint, schickt mich Antoine ins Getümmel: »Du kannst schon mit Coolikes gehen!« Coolikes , richtig – was war das noch gleich? Ich sehe mich hilflos um. Netterweise reicht mir der Chefsteward jetzt ein Körbchen mit den eingepackten feuchten Tüchern. Ich schnappe es mir,
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