Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
aus großer Höhe ja jetzt quasi meine normale Perspektive. Ich werde einfach nicht oft runtersehen!
Während ich mich jetzt meinem ersten Einsatz und dem Eingang des Hauptgebäudes nähere, zupfe ich noch einmal mein Halstuch zurecht, damit der Knoten neckisch auf der Seite sitzt, die der Sonne zugewandt ist. So haben wir es gelernt. Ein bisschen unbehaglich zwar der Stoff, aber ich vermute, wenn man Tausende Flugbegleiter einkleiden muss, kann man nicht groß auf kostspielige Luxusfaser setzen – wie zum Beispiel Baumwolle. Gleiches gilt für die Bluse, die sich trotz Weichspüler und meiner akribischen Bügelarbeit noch immer ein wenig plastikhaft anfühlt.
Egal, heute ist mein erster Tag als Stewardess!
Kurz vor der gläsernen Drehtür zum Hauptgebäude im Stil eines Grandhotels stehe ich einen Moment lang einfach da und lasse das Treiben auf mich wirken. Vor der Kulisse rollender Jumbo-Jets laufen lauter Uniformierte herum, die aussehen wie ich. Das Gelände ist fast wie eine kleine Stadt. Die meisten ziehen Koffer hinter sich her, tippen im Gehen in ihr Handy, begrüßen oder verabschieden sich und einige Paare küssen sich sogar. Es ist genauso wie in Catch me if you can mit Leonardo di Caprio, als er sich als Pilot ausgibt!
Flüchtig betrachte ich mich noch einmal in der spiegelnden Glastür. Das goldene Namensschild gibt es leider erst nach bestandener Probezeit und so trage ich vorrübergehend einen unvorteilhaften »Trainee«-Button, der meinem Auftritt doch ein wenig den Glamour nimmt.
Egal, ich fühle mich privilegiert.
In der Agentur sitzen sie jetzt nämlich ganz langweilig vor ihren Rechnern. Beziehungsweise sitzt da noch gar keiner, wie ich mit Blick auf die große Uhr im Foyer feststelle, die immer Greenwich Mean Time anzeigt. Es ist darauf 2:30 Uhr, also 4:30 Uhr Frankfurter Ortszeit.
Hoffentlich gewöhne ich mich schnell an diese fliegerische Zeitrechnung und daran, ständig alles umrechnen zu müssen, als ginge meine Uhr falsch. Ich glaube, um diese Uhrzeit bin ich zuletzt nach der Abifeier wach gewesen, was aber alleine daran lag, dass das erstaunlich günstige Catering damals offenbar die Kühlkette der Tiefseegarnelen nicht vorschriftsmäßig eingehalten hatte.
Leider ist diese Arbeitszeit wohl unumgänglich, wenn man bis zweiundzwanzig Uhr abends vier Flüge schaffen will. Denn so sieht mein erster Tag heute aus. Jeder aus dem Kurs hat zwei Einweisungsflüge zugeteilt bekommen, eine Kurz- und eine Langstrecke. Natürlich hat es fast Tote gegeben, als man seine Jungfernflüge selbstständig aus einem Becher ziehen durfte – Philipp behauptete, er habe gesehen, wie die Trainerin Bora Bora und Havanna auf Zettel geschrieben und hineingetan hatte. Komischerweise zog niemand diese Ziele. Ich bekam New York und war damit hochzufrieden.
Doch heute ist erst mal meine »Kurzstrecke« dran, die sich allerdings eher als Rauf-runter-Marathon erweist. Erst geht es nach München und zurück und dann noch Moskau hin und her.
»Entschuldigung …«, fragte ich vorsichtshalber nach der Verlosung, »ist das so richtig?«
»Ja, Sie fliegen eine Tagestour«, lautete die Antwort der On the job-Trainerin.
»In Ihrem Dienstplan werden Sie Tage finden, an denen Sie bis zu fünf Flüge durchführen, sogenannte Tagestouren . Die werden Sie auch im Rahmen von Mehrtagestouren finden. Bis zu fünf Tage kann man Sie von zu Hause wegschicken«, erklärte sie dann für alle, und mir dämmerte, dass das bis zu fünfundzwanzig Flüge in fünf Tagen bedeuten könnte.
Danach würde ich wohl keine Gewichtsprobleme mehr haben, was die Schneider-Schnepfe sicher vorausgesehen hat.
Ich tippele auf ein riesiges Display zu, das etliche Flüge anzeigt, im Gegensatz zu den Tafeln für Passagiere in Flughäfen allerdings mit Flugnummern und Kennungen der dazugehörigen Maschinen versehen ist: TXL, ARN, OTP, HAM, LIS … Nach einigem Suchen finde ich meinen Flug: die SL 760 von FRA nach MUC in der A-IMCL. Nicht die Anton-Ida Martha Caesar Ludwig , sondern die Alpha-India Mike Charlie Lima, gemäß dem phonetischen Alphabet in der Fliegersprache.
Allein beim Anblick der Flugnummer werde ich ganz kribbelig! Ich eile an die FBTs , die Flugbetriebsterminals, die mit einer Reihe von Computern bestückt sind, und checke mich mit meinem neuen glänzenden Lichtbildausweis ein.
»Guten Morgen, Frau Charlotte Madeleine Loos!«, erscheint in großen hellblauen Buchstaben meine persönliche Begrüßung auf dem Bildschirm. Ich drucke
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