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Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Titel: Saftschubse - Lies, A: Saftschubse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Lies
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mir. Ich trage nämlich das Kleid, mit dem man mich inzwischen ohne Retusche in der Boulevardpresse abdrucken könnte: »Zu den diesjährigen Oscars erschien C. Lo in Rio by Janeiro.« Der hellblaue Stoff fällt fluffig über meine Schenkel, umschmeichelt meinen flachen Bauch und schmiegt sich wie Chiffon um meine Hüften.
    Ich bin damit die Basis rauf- und runterspaziert und habe in der Kleiderkammer drei Tuchringe, einen extra Trageriemen für meine Handtasche und zwei silberne Haarspangen aus nostalgischem Flugzeugwellblech bestellt, nur damit die Schneider-Schnepfe meine neuen Modellmaße bewundern kann. Aber sie war kein einziges Mal im Dienst, und jetzt warte ich noch immer auf die Zustellung meiner Schuhputzbürste aus voll verzinktem Propellerstahl.
    So ein Kleiderkonto ist wirklich super. Jeden Monat zieht mir Skyline vom Gehalt automatisch einen kleinen Betrag ab und verdoppelt diesen. Dafür kann man dann shoppen. Und sparen nützt rein gar nichts, weil das, was nicht ausgegeben wird, am Ende des Jahres verfällt. Ich finde, das ist ein sehr frauenfreundliches Prinzip! Gut, man bekommt dafür jetzt keine Riemchensandalen in Koralle, sondern nur Uniformteile, aber eine quasi kostenlose himmelblaue Fliegerstrickjacke vom neuseeländischen Merinofeinwollschaf – wer hat die schon? (Also, außer den anderen zwölftausend Stewardessen, natürlich.)
    Der uneinsichtige Typ vor mir jedenfalls nicht. Er überprüft mit der linken Hand den Härtegrad seines Stehkragens, während er mit der rechten über das Rad seines iPod streicht. Ich muss schon sagen, der hat echt die Ruhe weg.
    Ich habe noch nie verstanden, woher manche Menschen diese tiefenentspannte Haltung nehmen. Ehrlich gesagt beneide ich sie ein wenig darum. Ich habe mir nie etwas zuschulden kommen lassen, aber grundsätzlich ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Polizisten oder andere Ordnungshüter auch nur aus der Ferne sehe. Da steige ich auch auf ausgewiesenen Radwanderwegen im Naherholungsgebiet Emscher-Park automatisch vom Rad ab. Und jedes Mal, wenn Männer in schlichten Kapuzenjacken in die U-Bahn steigen und sich unauffällig umsehen, bekomme ich kardiale Arhythmien. Obwohl ich ein Isar-Card-Abo Gesamtnetz habe.
    Nicht im Traum würde mir einfallen, mich an Bord eines Verkehrsflugzeugs irgendwelchen Regeln zu widersetzen, so dass die Stewardess kommen und mich persönlich darauf hinweisen muss. Erst recht nicht, wenn ich nichts mit der Fliegerei zu tun hätte und die fatalen Folgen ja gar nicht einschätzen könnte!
    Unbeeindruckt wippt der Typ mit seinem Fuß, der in italienischem Schnürschuhwerk steckt, stopft seine kleinen weißen In-Ear-Headphones noch tiefer in seine Gehörgänge und tut, als gäbe es mich gar nicht. Das wird keine schöne Sache mit uns beiden – er, der klassische Apple iProll, und ich, die klassische Konfliktvermeiderin.
    Dass ich dieser Kategorie angehöre, weiß ich seit dem Skyline-Seminar »Menschen in der Luft – Energievampire in 30000 Fuß«. Der Dozent meinte schon in der ersten großen Pause, dass ich dringend an meiner Harmoniesucht arbeiten und akzeptieren müsse, dass es Menschen gibt, die Reibungen gezielt suchen (um ihr prodominantes Unter-Ego zu beschützen oder so).
    Fest steht jedenfalls, dass das hier wieder ein Teil meines Stewardessen-Alltags ist, den ich mir anders vorgestellt hatte. Ganz anders, nämlich gar nicht in dieser Form.
    Könnte gut sein, dass Erich Wildberger damals so was gemeint hat, als er von irgendwelchen dubiosen negativen Seiten der Fliegerei sprach. Das müssen die echt in ihre Verträge schreiben, dass man sich den Hafenblick in Hongkong damit verdienen muss, einem arroganten Unsympathen mit Pomade im Haar (und ich glaube auch, gegelten Augenbrauen) zu erklären, dass er für fünf Minuten auf Dolby-Surround-Sound zu verzichten hat.
    Außerdem steht auf jedem einzelnen Ticket rückseitig ausdrücklich: »Den Anweisungen des Bordpersonals ist Folge zu leisten.« Und das wäre dann wohl ich. Zumal mich ständig Menschen ansprechen, die überzeugt sind, die vorne auf der Bordkarte blass abgebildete Japanerin sei ich, und mir zu meinem ungewöhnlich rosigem Teint in natura gratulieren.
    Das hier sollte alles anders laufen. Und zwar so wie auf den riesigen Werbeplakaten von Skyline: Eine ausgeschlafene, ihren Job über alles liebende Flugbegleiterin in einer Thrombose vorbeugenden Strumpfhose der Stützklasse drei reicht einem gut gekleideten Pärchen den Brotkorb. Das Paar

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