Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Tag läuft es dann auch wesentlich flüssiger, und abends um zweiundzwanzig Uhr hält die Crew sogar eine kleine Überraschung für mich parat: Aus Keksen, Milch und Pralinen mit Werbeaufdruck für Hedgefonds haben Antoine und Ingrid mir in den kleinen Öfen einen Kuchen gebacken.
    Die Piloten haben zwischendurch gewechselt, und ich habe sie alle im Prinzip nur jeweils kurz gesehen, als wir uns die Hände geschüttelt haben. Ingrid hat aus einem trockenen Schwammtuch ein Herz ausgeschnitten, das sie mit orangefarbenen Zollplomben zu einer Kette verarbeitet hat.
    »Das soll aussehen wie ein Lebkuchenherz – von wegen Oktoberfest und so …«, erläutert sie. »Weil dein richtiger Jungfernflug doch heute früh nach München ging und die Stadt deine neue Heimat wird.«
    Always happy landings! Bisous, Antoine et Ingrid steht darauf, geschrieben mit Skyline-Kugelschreiber. Dazu schenken sie mir ein neu verschweißtes Kerosinchen.
    Ich bin richtig gerührt. Feierlich hängt Antoine mir das Herz um, wie einem Olympiasieger die Goldmedaille. Dann stoßen wir mit TAO an – und, weil ja Feierabend ist, mit ein bisschen Chateau la Dame Blanche Haut Médoc 2004 aus der Businessclass, den die schnippische Frau in Reihe zwei heute früh für uns vorgekostet hat.
    Ich bin flügge!
    Vollkommen erschöpft setze ich mich für den letzten Schluck Rotwein in einen Business-Sitz. Ingrid schaut mit mütterlichem Blick auf mich hinunter.
    »War alles ganz schön viel heute, was?«
    »Nein, nein …«, winke ich gequält lächelnd ab. »Also, doch schon. Aber das ist es nicht … Meine Schuhe bringen mich um!«
    Wie gebannt starrt Ingrid auf meine Füße und wird auf der Stelle kreidebleich. »Hast du die Dinger etwa die ganze Zeit angehabt?!«
    »Ja, natürlich, du doch auch …«
    Mein Blick gleitet hinab zu ihren Knöcheln, dahin, wo noch heute früh die atemberaubenden Manolos in Marineblau waren. Jetzt trägt sie abgewetzte Ballerinas.
    »Kind!«, schreit sie völlig entsetzt, so dass Antoine sich an seiner Saftkreation verschluckt.
    »Du musst doch Galley-Schlappen haben! Du brichst dir ja die Haxen! Die hohen Hacken trägt man nur im Briefing und auf Flughäfen – sobald du an Bord bist, wechselst du zu was Flachem!«
    Skyline – Meet the Angels.
    Rundschreiben
    Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
    leider müssen wir erneut daran erinnern, dass zur weißen Bluse das gelbe oder blaue Halstuch und zur blauen Bluse nur das gelbe Halstuch getragen werden darf.
    Accessoires wie Perlenketten sind leider kein adäquater Ersatz! Auch müssen wir das Tragen von »total wichtigen esoterischen Biotransformern zur Strahlenabwehr und Umwandlung negativer Energien durch unfreundliche Gäste an Bord« untersagen.
    Wir bemühen uns intensiv um die Verbesserung der stofflichen Qualität der Halstücher, durch Hinzufügen eines Baumwollanteils zu den bisherigen 100% Polyester.
    Darüber hinaus sind die im Bordverkauf erhältlichen Artikel »Diamantcollier Schlange« und »Halskette 3 Karat USB-Speicherstick mit GPS-Funktion« im Dienst nicht zulässig.
    Wir freuen uns natürlich sehr, dass Ihnen diese Artikel in so großer Zahl zusagen, möchten Sie aber bitten, diese ausschließlich in Ihre private Garderobe aufzunehmen.
    Florinda von Metzingen-Miller
    Skyline/Kleiderkammer FRA
    Einige Transatlantikflüge später …
    Sie erlauben die kurze Zwischenlandung. Leider ist meine Geschichte zu lang, um sie nonstop zu erzählen. Ich hoffe aber, dass Sie auch auf dem zweiten Streckenabschnitt rundum zufrieden sein werden mit dem Service!

8.
    »Zum Start muss doch nur mein
Handy aus, oder?«
    »Welcome on board, good evening, Sir!«
    »Can’t be too good, since you’re working here, right?«
    (MUC – LCA)
    Wenn ich jetzt sofort kündige …
    Vor genau drei Jahren zitterte ich vor Spannung, als ich meine Einladung zum Assessment-Center aus dem Briefumschlag zog. Und jetzt zittere ich wieder. Allerdings nicht vor Aufregung, sondern vor Wut. Ich dachte anfangs wirklich (ungefähr eine ganze Woche lang), ich begrüße täglich in drei Sprachen und zwei Dialekten charmante Manager in Boss Black , die mich großzügig auf ihre Yacht einladen, und Frauen, die in schicken Tropenoutfits nach Bamingui-Bangoran reisen und mich fragen, woher ich diesen unglaublich leuchtenden Lippenstift habe.
    Stattdessen: Vielflieger-Kinder, die bockig die Arme verschränken und raunzen: »Hab ich schon …«, wenn man ihnen ein Kerosinchen-Puzzle hinhält, und Frauen, die