Sag doch Ja, John
ihre Sicherheit besorgt war.
Wie immer. Er achtete darauf, dass sie nicht zu lange spielte, damit sie hinterher nicht so erschöpft war. Außerdem bestand er immer darauf, dass sie dieses ganze eklige Zeug aß, weil er meinte, dass es gesund war. Dabei wollte sie am liebsten die ganze Zeit nur Eis essen. Am liebsten Kirsche.
Katie war sich sicher, dass die nette Frau von heute Nachmittag das erlauben würde, wenn sie ihre Mommy wäre. „Ich meine die Lady, die so aussieht wie Mommy.“
„Ich kenne Miss Tamberlaine noch nicht gut genug, um sie nett zu finden“, beantwortete er Katies Frage.
Das entsprach nicht so ganz der Wahrheit. John hatte nämlich durchaus das Gefühl, diese Frau gut genug zu kennen, um sie eben nicht nett zu finden, aber das behielt er lieber für sich. Wenn seine Tochter so großherzig war, sie zu mögen, dann wollte er sie ihr nicht schlecht machen.
Katie reckte das Kinn vor. „Also, ich fand sie nett.“ Dann warf sie ihrem Vater einen bedeutungsschweren Blick zu. „Sie hat mich ganz toll umarmt.“ John hätte fast laut losgelacht. Versuchte die Kleine etwa gerade, ihn zu beeinflussen? „Nein, du hast sie ganz toll umarmt“, verbesserte er sie. „Sie hat bloß darauf reagiert.“ Weil sie gerade an einer roten Ampel standen, lehnte er sich kurz zu Katie hinüber. „Wer umarmt am besten auf der ganzen Welt?“ wollte er von ihr wissen.
Katie strahlte über das ganze Gesicht. Diese Frage kannte sie nur zu gut. „Ich“, erwiderte sie und wies mit dem Daumen auf ihre Brust.
„Darauf kannst du deinen süßen kleinen Hintern verwetten“, bestätigte John.
Dann sah er sie an und erkannte, wie erschöpft sie war… obwohl sie ganz offensichtlich versuchte, das vor ihm zu verbergen. Ihm zog sich das Herz zusammen. „Bist du müde, mein Schatz?“
Kate zuckte mit den Schultern. Es hatte keinen Sinn, ihn anzulügen, Daddy durchschaute sie doch immer. „Nur ein bisschen“, gab sie also zu.
„Gleich sind wir zu Hause“, versprach John.
Die Ampel hatte gerade erst auf Grün geschaltet, da trat er auch schon das Gaspedal durch. Schuldgefühle nagten an ihm. Ich habe Katie viel zu lange draußen spielen lassen, warf er sich vor. Ganz schön egoistisch!
Als er seine Tochter heute mit zu seiner Arbeitsstelle genommen hatte, hatte er nicht etwa an sie gedacht, sondern nur an sich selbst. Er hatte sie einfach bei sich haben wollen, hatte so viel wie möglich von ihrer Fröhlichkeit und ihrer Unschuld mitbekommen wollen. Diese Erinnerungen wollte er ganz fest im Gedächtnis behalten, denn vielleicht würde sie schon bald nicht mehr…
Nein, verdammt! Genug mit dieser Schwarzmalerei, sagte John sich. Katie wird noch ganz gesund und steinalt und macht mich auch noch zum mehrfachen Urgroßvater.
Aber es half alles nichts, John machte sich große Sorgen. Ganz besonders wenn er mitten in der Nacht wach lag, nagte die Angst an ihm, hartnäckig und unnachgiebig. Und es gab ja durchaus Anlass zur Sorge: Auf seinem Konto gab es fast kein Geld mehr. Eine feste Anstellung konnte er aber nicht annehmen, weil er sich immer wieder Zeit für Katie nehmen musste, wenn es ihr gerade sehr schlecht
ging.
Mangels
Festanstellung
nahmen
ihn
die
gesetzlichen
Krankenkassen nicht auf, und die privaten verlangten horrende Beiträge. Und diese TamberlaineErbin tat doch tatsächlich so, als wäre sie in einer ausweglosen Lage. Sie hatte ja keine Ahnung!
Als John die Auffahrt zu dem kleinen, von Stiefmütterchen gesäumtem Haus hochfuhr, in dem er und Katie wohnten, war diese bereits im Kindersitz eingeschlafen. Offenbar war sie wirklich sehr müde gewesen. So war das oft: Die Erschöpfung brach ganz unvermittelt über Katie herein und entzog ihr alle Energie.
John öffnete die Beifahrertür, hob seine Tochter vorsichtig aus dem Sitz und trug sie ins Haus, um sie dort sofort ins Bett zu bringen. Nachdem er sie zugedeckt hatte, blieb er noch eine Weile neben ihr stehen und betrachtete sie. Was würde ich bloß ohne dich anfangen? fragte er sich, dann seufzte er und verließ langsam das Zimmer.
Anschließend ging er sofort zu dem Telefon, das in der Küche stand. Er nahm den Hörer auf und wählte die erste Position des automatischen Nummernspeichers aus: Karies Herzspezialist. Eigentlich sollte eine Vierjährige noch gar keinen Herzspezialisten brauchen, dachte John verbittert, sondern bloß einen Kinderarzt.
Und eigentlich sollte ich sie bloß hin und wieder zum Impfen fahren müssen, nicht zum
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