Sag einfah: Ja, ich will
ließ sich weder von Schuldgefühlen, Schmerzen oder anderen Gefühlen leiten.
Adam führte sein Leben so, wie er seinen Teil des King-Imperiums führte: überlegt, klar und sachlich. Nach vernünftigen Erwägungen. Kein Wunder, dass Gina davon nichts verstand.
„Überall, im Flur, in den Zimmern, überall hängen Bilder von deiner Familie“, sagte sie. „Von dir und deinen Brüdern, deinen Eltern, deinen Cousins. Aber …“
Er wusste, was sie jetzt sagen würde.
„Nirgends gibt es auch nur ein einziges Foto von Monica oder von Jeremy. Warum nicht, Adam?“
Auf diese Frage war er vorbereitet, trotzdem tat es weh. Doch er riss sich zusammen. „Wäre dir lieber, wenn ich überall Bilder von ihnen aufhänge? Meinst du, ich schaue mir gern Fotos von meinem Sohn an und denke dann daran, wie er gestorben ist? Meinst du, das macht mir das Leben leichter, Gina? Ich glaube kaum.“
„Nein, natürlich nicht.“ Mit beiden Händen umfasste sie seinen Arm. „Aber wie kannst du dich so völlig abschotten? Wie kannst du dich dagegen sperren, überhaupt an deinen Sohn zu denken?“
Oh, er dachte sehr wohl an Jeremy. Gerade jetzt stiegen die Erinnerungen in Adam auf. Jeremy hatte blondes Haar wie seine Mutter und braune Augen wie sein Vater, immer ein Lächeln auf den Lippen. So hatte Adam ihn in Gedanken vor sich. Und das war privat. Das teilte er mit keinem Menschen. Mit niemandem.
Sachte befreite er sich aus Ginas Griff. „Wenn ich keine Erinnerungsfotos aufhänge, bedeutet das ja nicht, dass ich ihn vergessen will … oder vergessen könnte. Aber mein Leben ist nicht auf Erinnerungen aufgebaut, Gina. Meine Vergangenheit hat keinen Einfluss auf meine Gegenwart. Oder meine Zukunft.“ Er sah sie an und zwang sich, die Enttäuschung zu ignorieren, die ihre Augen widerspiegelten. Als sie die Abmachung getroffen hatten, war er ehrlich gewesen. Gina hatte gewusst, dass er keine Liebe wollte. Wenn sie jetzt plötzlich doch auf mehr hoffte – was konnte er dafür?
Als sie betreten schwieg, fuhr er fort: „Du kannst es wahrscheinlich nicht mehr hören, trotzdem muss ich es noch einmal betonen: Wir haben eine geschäftliche Vereinbarung. Mehr nicht. Erwarte nichts von mir, was ich dir nicht geben kann. Dann läuft alles glatt. Und wir bekommen beide das, was wir wollten.“
11. KAPITEL
Tagelang dachte Gina noch über den Vorfall in der Scheune nach. Wild und leidenschaftlich hatte Adam sie geküsst, aber sein Blick hatte kühl gewirkt.
Hatte sie sich denn all die Wochen über etwas vorgemacht? Hing sie wirklich nur einem kindischen Traum nach, der nichts mit der Realität zu tun hatte? Und war es an der Zeit, sich geschlagen zu geben?
Gina zog an Shadows Zügel und ließ die sanftmütige Stute den ausgetretenen Pfad zum Familienfriedhof der Kings entlangtraben. Als Gina die ersten Grabsteine sah, zogen dunkle Wolken auf. Den ganzen Tag lang hatten sie auf den Sturm gewartet.
Schlagartig wurde es kälter, ein unangenehmer Wind kam auf. Shadow tänzelte nervös, als ob die Stute das herannahende Unwetter spürte und nichts lieber wollte, als in den schützenden Stall zurückzukehren.
Aber Gina hatte etwas Bestimmtes vor, und vorher wollte sie nicht nach Hause zurück. Sie musste herausfinden, wie Adam die Gedanken an seine verstorbene Frau und den Sohn so streng verbannte. Er hatte diesen Teil seines Lebens gewissermaßen weggesperrt. Was für ein Mensch musste man sein, um so etwas fertigzubringen?
In wenigen Tagen würden sich die Blätter der alten Bäume auf dem Friedhof verfärben. Dann würden sie im Wind tanzen und nach und nach auf den Boden fallen, um dort schließlich wie ein wunderschöner Flickenteppich liegen zu bleiben. Die Tage wurden schon merklich kürzer.
Shadow schnaubte, bewegte den Kopf hin und her und wäre am liebsten vom Pfad abgewichen. Gina war jedoch fest entschlossen, sich der Vergangenheit zu stellen, der Adam sich so rigoros verweigerte.
Der verschnörkelte Eisenzaun um den Friedhof war teils rostig und verwittert, dennoch strahlte er Eleganz und Stärke aus. Dieser Zaun war mit Liebe errichtet worden, um Jahrhunderte zu überdauern. Irgendwie wie die King-Dynastie selbst.
Pflanzen rankten durch die Metallgitter, die Blüten wogten im Wind. Die ältesten der zahlreichen Grabsteine stammten aus dem neunzehnten Jahrhundert. Einige der älteren standen schief. Die eingemeißelten Inschriften waren kaum noch zu entziffern, nachdem sie jahrzehntelang Wind und Regen ausgesetzt
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