Sag einfah: Ja, ich will
waren.
Gina stieg von ihrem Pferd ab und band den Zügel an den eisernen Zaun. Vorsichtig, fast wie ein Dieb, zog sie das reich verzierte Eisentor auf. Die Scharniere quietschten; das Geräusch ging Gina durch Mark und Bein. Gleichzeitig blies ihr ein scharfer Wind ins Gesicht, als ob jemand – oder etwas – sie warnte: Kehr um! Halte dich fern von den Toten, geh zu den Lebenden zurück!
Und nun fielen auch noch die ersten Regentropfen. Kalt rannen sie ihr den Nacken und den Rücken hinab. Die Blätter an den Bäumen raschelten. Fast klang es wie Flüstern, jedenfalls kam es Gina so vor.
Vorsichtig ging sie durch das feuchte Gras, das zusehends nasser wurde. Die älteren Gräber beachtete sie nicht weiter, sondern näherte sich zielstrebig den neuesten, die aus weißem Granit bestanden. Sie entdeckte das Grab von Adams Eltern. Vor zehn Jahren waren sie ums Leben gekommen, als ihr kleines Privatflugzeug in der Nähe von San Francisco abgestürzt war. Das Grab war mit frischen Blumen geschmückt, Rosen aus dem Garten der Ranch.
Aber wegen dieses Grabes war Gina nicht gekommen.
Zwei andere zogen sie wie magisch an. Still ging sie weiter.
Da waren sie. Monica Cullen King und Jeremy Adam King.
Auch hier lagen Blumen. Rosen für Monica, Tausendschönchen für Jeremy. Der Regen hinterließ feuchte Schlieren auf dem makellosen Granit. Es war still, so beunruhigend still hier, fand Gina. Hier ruhten die zwei Menschen, die Adam nicht vergessen konnte und an die er sich um keinen Preis erinnern wollte. Der Grund dafür, dass er nur ein halbes Leben führte. Die Vergangenheit, die ihm mehr bedeutete als eine Zukunft mit Gina.
„Wie bringe ich ihn dazu, mich zu lieben?“, fragte sie und blickte von einem Grabstein zum anderen. „Wie mache ich ihm klar, dass man eine Zukunft haben kann, ohne die Vergangenheit zu verraten?“
Natürlich bekam sie keine Antwort. Hätte Gina eine bekommen, wäre sie wahrscheinlich schreiend davongelaufen. Dennoch hatte sie das Gefühl, als würden ihre Fragen gehört und verstanden.
Sie beugte sich hinunter, wischte mit der flachen Hand über das sorgfältig gepflegte Gras, sammelte gedankenverloren einige kleine Zweige auf und warf sie beiseite. „Ich weiß, dass er dich geliebt hat. Das will dir auch niemand nehmen. Aber ich glaube, er könnte auch mich lieben.“ Dann blickte sie auf den Grabstein, in den Jeremys Name, Geburts- und Sterbedatum gemeißelt waren. Er hatte ein so kurzes Leben gehabt. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie erinnerte sich noch gut an den quicklebendigen, fröhlichen kleinen Jungen. Und an das tiefe Mitgefühl, das sie für Adam empfunden hatte, als Jeremy gestorben war.
„Ich will ja nicht, dass Adam euch beide vergisst. Ich will doch nur …“ Sie hielt inne und blickte zum Himmel, wo sich immer mehr dunkle Wolken zusammenballten.
„Ich habe mir etwas vorgemacht, nicht wahr?“, flüsterte sie. Der Wind warf ihr die Worte zurück ins Gesicht. „Er wird das Risiko, jemanden zu lieben, nicht noch einmal eingehen. Er hat schon einmal teuer dafür bezahlt.“
Um sie herum war es beinah nachtschwarz geworden, der Regen prasselte heftig auf sie und durchnässte ihre Kleidung. Der Wind wurde stärker, und Gina fröstelte, was nicht nur mit dem Wetter zu tun hatte. Es lag auch an der ernüchternden Erkenntnis: Was Gina sich erträumt hatte, würde niemals wahr werden. Es war so weit, sie musste aufgeben. Es hatte keinen Zweck mehr, bei Adam zu bleiben – in der aussichtslosen Hoffnung, dass er sie eines Tages lieben könnte.
Es war Zeit, sich geschlagen zu geben. Empfängnisverhütung ade.
Langsam stand sie auf, sah noch einmal auf die Gräber hinunter und flüsterte: „Passt gut auf ihn auf, wenn ich nicht mehr bei ihm bin.“
Adam sattelte gerade sein Pferd, als Gina auf der Ranch ankam, klatschnass und ein Bild des Elends. Gerade hatte er sich auf den Weg machen wollen, um sie zu suchen – obwohl er wusste, dass das ein aussichtsloses Unterfangen war. Die Ranch war riesig. Adam hätte tagelang unterwegs sein können, ohne Gina zu finden. Trotzdem hätte er es versucht. Denn die Ungewissheit war unerträglich gewesen.
Während er ihr jetzt entgegenblickte, war er zwischen Erleichterung und Wut hin und her gerissen. Obwohl es in Strömen regnete, lief Adam sofort über den Ranchhof.
Er hob Gina vom Pferd, hielt sie an den Schultern und rief: „Wo zum Teufel warst du? Du warst ja stundenlang weg!“
„Ich habe einen kleinen Ausritt gemacht“,
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