Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
warf Donna einen verzweifelten Blick in Richtung Weingeschäft. Wo war Mel? Nirgends zu sehen. Gottverdammt! Die Frau ließ den Motor an.
Nein! dachte Donna und griff plötzlich nach den Schlüsseln in ihrer Handtasche. Sie würde sie auf gar keinen Fall so einfach davonfahren lassen. Auf gar keinen Fall würde sie diese Spur verlieren. Durch die Reihen der geparkten Autos lief sie zurück, ohne den grün-beigefarbenen Wagen aus den Augen zu verlieren. Sie fand ihre Reihe, fand das Auto, warf einen letzten verzweifelten Blick in die Runde, auf der Suche nach Mel. Vergeblich. Dann schloß sie die Tür auf, sprang geradezu ins Auto.
Die andere Frau hatte augenscheinlich einige Mühe, ihr Auto aus der Parklücke herauszumanövrieren. Donna zitterte am ganzen Körper. Sie hatte das Gefühl, von Tausenden von Zecken angefallen worden zu sein. Und zu ein und derselben Zeit war ihr irgendwie übel zumute, aber gleichzeitig auch euphorisch. Was das Zittern betraf, sie konnte es einfach nicht unterdrücken.
Es war, als habe sich alles an diesem Nachmittag abgespielt und nicht schon vor fast vier Jahren. Der Abend jener Party. Ausgehbereit waren sie. Ein Wort ergab das andere. Ein Alptraum mündete in den nächsten. Und alles so dicht ineinander verwoben, daß kein einzelner Faden sich aus dem Gesamtmuster herauslösen ließ. Dein Gesicht, Donna, also das Make-up sieht so billig aus, als wolltest du dafür einen Sonderpreis gewinnen – echt Ausverkauf. Allmächtiger Himmel, ums Haar hättest du die Mülltonne umgefahren; ja, wo willst du denn hin, Donna? Die richtige Abbiegung hast du drei Häuserblöcke zuvor verpaßt; und jetzt hättest du beinahe das Haltesignal überfahren; ja, Teufel noch mal, versuchst du, uns umzubringen; bist ja bei Rotlicht stramm weiter; steig aus, Donna; weiß ja nicht, was du vorhast; aber ich will auf jeden Fall zur Party und mich dort vergnügen;
und was du da vorhast, von wegen Scheidung und so, Trennung auch von Adam; hab eigentlich nur ein Anliegen an dich; putz dir die Nase und halte den Mund; halte ausnahmsweise mal den Mund; halt den Mund; halt den Mund; während sie spürte, wie er in ihren Körper eindrang, tiefer und immer tiefer; und sie, völlig verwirrt, dachte: Ich bin eine tote Frau, ich bin eine Tote; ich werde nicht mehr gegen dich ankämpfen. Sie beobachtete den grün-beigefarbenen Plymouth, der sich aus seiner Parklücke herauslöste. Jetzt kurvte das Auto herum, fuhr langsam den freien Gang entlang, sehr vorsichtig, sehr behutsam.
Durch die Windschutzscheibe schien Victors Gesicht zu ihr hereinzugrinsen, ebenso höhnisch wie grotesk. Von Sekunde zu Sekunde entfernte sich das Kind weiter von ihr, von Donna. Das andere Auto befand sich fast schon an der Ausfahrt.
Ich bin nicht tot, vernahm Donna eine Stimme von tief innen. Unwillkürlich tasteten ihre Finger nach dem Verband an ihrer Seite. Noch bin ich nicht tot, und du – du bist lange genug in mir gewesen! Victors Abbild heuchelte so etwas wie Verblüffung. »Raus mit dir, Victor Cressy!« schrie sie auf einmal, während ihre Hand den Schlüssel ins Zündschloß stieß und dann den Rückwärtsgang einlegte. Schon war sie dabei, das Auto herauszumanövrieren. Sehr geschickt und erstaunlich rasch bugsierte sie den weißen Buick aus der Parklücke heraus. Wenig später kam sie unmittelbar hinter dem beige-grünen Plymouth zum Stehen.
Währenddessen sah sie im Rückspiegel Mel, beide Arme vollgeladen mit irgendwelchen phantastischen Weinen – absolut erlesenen Weinen.
Auf seinem Gesicht zeigte sich ein ebenso verwirrter wie fragender Ausdruck. Ich werd’s dir später erklären, dachte sie, während sie ihren Blick wieder auf das Auto vor sich richtete. Im Augenblick bleibt mir einfach keine Zeit, noch länger zu warten.
Kaum eine Sekunde später, auf der Spur des Wagens vor ihr,
bog sie mit ihrem weißen Buick in die Carmel Valley Road ein, in westlicher Richtung, zurück zum U. S. Highway I.
23
Sobald die Frau den Highway erreicht hatte, fuhr sie in nördlicher Richtung. Donna folgte in kurzem Abstand. Mehrmals warf die Frau einen Blick in den Rückspiegel, und jedesmal senkte Donna den Kopf und hielt den Atem an. Merkte die Frau, daß ihr jemand folgte? Erinnerte sie sich an Donna, vom Supermarkt her? Hatte ihr womöglich Victor einmal ein Bild von ihr gezeigt? Damit sie im Fall des Falles sofort auf der Hut sein konnte?
Donna warf einen Blick in ihren eigenen Rückspiegel. Das Tempo, das sie fuhr, lag knapp über
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