Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
ihre Handtasche. Wenn er wieder zurückwill nach Florida – nun, ich bin die Hüterin der Schlüssel. So hatte er’s gesagt. So hatte er’s gemeint. Er würde dort sein. Er würde immer dort sein.
Das Geschäft war prachtvoll eingerichtet. An den Wänden sah man die Bilder von Obstbäumen, die ihre farbenprächtigen Früchte buchstäblich in jene Einkaufskörbe zu schütten schienen, die unmittelbar vor ihnen standen. In diesem Stil war hier alles
aufgezogen. Stil und Substanz schienen einander wechselseitig zu durchdringen. Die beste aller Welten. Und während sie durch die Gänge schritt, dachte sie: Gehört schon eine ganze Menge Talent dazu, den Leuten das, was sie ohnehin tagtäglich brauchen, als etwas Besonderes zu verkaufen. Augenscheinlich kam man von ganz Carmel hierhergeströmt. Kauflustige en masse – eine ganze Menge Frauen, erstaunlich viele Männer, auch eine ganze Anzahl von Kindern.
Was das kleine Mädchen betraf – das nahm sie zum erstenmal wahr, als sie mehr oder minder ziellos einen der Gänge entlangging und das Kind auf dem kleinen Vordersitz des Einkaufskarrens sitzen sah. Das Mädchen starrte Donna an, bereits seit Sekunden. Selbst aus der Entfernung ließ sich erkennen, daß an den Augen des Kindes etwas Besonderes war.
Donna spürte, wie ihr Herz zu hämmern begann. Ihre Beine schienen auf einmal wie festgefroren am Boden. Halt mal, sagte sie zu sich selbst. So etwas haben wir doch schon oft genug gehabt. Häufig genug habe ich mir eingebildet, Kinder zu sehen, die wie Adam aussahen oder wie Sharon. Und jedesmal habe ich mich geirrt. Lauter Wunschdenken, weiter nichts – genau wie diesmal. Victor befand sich nicht mehr in Carmel. Mitten in der Nacht war er mit ihren Kindern geflüchtet.
»Bitte um Verzeihung.«
»Wie bitte?« fragte Donna zurück, und als sie sich umdrehte, blickte sie in das Gesicht einer jungen, sympathischen Frau.
»Darf ich vorbei?« fragte die Frau.
»Aber natürlich. Tut mir leid.« Donnas Stimme klang plötzlich ziemlich leise. »War mir gar nicht bewußt, daß ich den Gang versperre.«
Vielleicht, ging es ihr auf einmal durch den Sinn, war es gar nicht Victor gewesen, der sich so mir nichts, dir nichts davonmachte. Es konnte sich doch um jemanden handeln, der sich in einer ähnlichen Lage befand wie Victor; jemand, der in dieser
Hinsicht seine eigenen Probleme hatte. Aber das war nicht weiter wichtig. Was einzig ins Gewicht fiel, war dies: Marfleet konnte sich irren! Was ins Gewicht fiel, war jenes Kind, das an ihren Augen vorbeigerollt wurde!
Plötzlich lösten sich ihre erstarrten Füße vom Boden; sie schob sich, wenn auch nur mit Mühe, an jener jungen Frau vorbei, die sie vor wenigen Sekunden vorübergelassen hatte. »Verzeihung«, murmelte sie und gelangte zum Ende des Ganges, bog sodann, möglichst unauffällig und in langsamem Tempo, in den nächsten ein. Das Kind auf dem Einkaufskarren konnte sie nirgends erspähen. War das Ganze nur eine Illusion gewesen? Donna wies den Gedanken von sich und ging zur nächsten Reihe mit aufgestapelten Konserven.
Dort waren sie. Das Kind hielt etwas an sich gepreßt, als handle es sich dabei um einen heißgeliebten Teddybären (in Wirklichkeit war es ein Päckchen Instant-Pudding), und die Frau... Während Donna scheinbar konzentriert in den Regalen suchte, betrachtete sie voll Aufmerksamkeit die Frau. Schwarze Haare, Sonnenbräune (wenn auch nicht allzu stark). Nein, diese Frau hatte Donna nie zuvor gesehen. Sie mußte so Mitte Fünfzig sein. Als Mutter des Kindes kam sie praktisch nicht in Frage. Aber womöglich als Großmutter. Oder als Haushälterin.
Donna richtete ihre Aufmerksamkeit auf das kleine Mädchen. Elf Monate war es her, seit sie Sharon gesehen hatte. Doch innerhalb eines knappen Jahres verändert sich selbst ein so kleines Kind äußerlich nur innerhalb gewisser Grenzen. Das kleine Mädchen dort wirkte zwar weniger »pummelig« (in gewisser Weise erschien sie Donna geradezu gereift – ein irgendwie komisches Wort für ein noch nicht einmal dreijähriges Kind), aber die wesentlichen Merkmale blieben unverwechselbar – kleine Stupsnase, ein Schmollmündchen (das hatte sie von ihrem Vater), lokkiges Haar, inzwischen länger geworden, und dann die riesigen »Hexenaugen«, die durch einen hindurchzublicken schienen.
Unwillkürlich hielt Donna den Atem an, als das Kind sein Gesicht in ihre Richtung drehte. Nein, nein, nein, da konnte es keinen Irrtum geben. In dem knappen Jahr, das
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