Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
Vermutlich.
Verdammt, dachte Donna, ist denn niemand da, der mir helfen könnte? Nein, lautete die Antwort, du mußt es allein schaffen. Wie eine fremde Stimme schien es in ihrem Kopf zu klingen. Aber es war keine fremde Stimme, es war ihre eigene. Und sie klang stärker und lauter von Mal zu Mal, seit Monaten schon. Los, Donna! sagte die Stimme. Donna machte zwei zögernde Schritte zur Seite des Hauses, und schon stolperte sie über einen großen, gelben Strandball, den sie übersehen hatte. Doch fing sie sich sofort, stieß den Ball beiseite und sah, wie er unmittelbar vor den Eingangsstufen zum Stillstand kam.
Ein relativ breiter, betonierter Weg führte direkt hinter das Haus. Langsam bewegte Donna sich voran, hielt Ausschau nach Fenstern an der Seite des Hauses. Vom Meer kam das Dröhnen der Brandung: fast wie ein anfeuerndes Gebrüll. Irgendwie geriet Donna in einen beschwingten, fast rauschhaften Zustand.
Das erste Fenster. Sie spähte hinein. Ein Wohnzimmer, recht konservativ ausgestattet, mit einigem herumliegenden Spielzeug. Doch schien selbst dieses bißchen Unordnung dekorativ hineingestreut in den Gesamtrahmen: Ordnung! Donna bewegte sich weiter. Wieder Fenster. Sie spähte in ein Schlafzimmer, vermutlich das der Frau (der Haushälterin?). Und jetzt – die Küche. Donna spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Ja, dort befand sich die Frau, und ganz gewiß würde sie Donna sehen. Vorsichtig glitt Donna vorbei.
Die Frau stand am anderen Ende der Küche. Sie war noch mit dem Auspacken der Lebensmittel beschäftigt. Es handelte sich um einen ziemlich großen Raum, mit Fenstern nach zwei verschiedenen Seiten – auch mit Blick zum hinteren Teil des Grundstücks und zum Meer.
Allerdings: diesen Blick hatte man nur von der Eßecke aus, und falls die Frau nicht aus irgendeinem Grund dort hinging, hatte Donna eine gute Chance, unauffällig zu ihren Kindern zu gelangen.
Sekundenlang blieb Donna reglos an der Hauswand stehen. Dann straffte sie unwillkürlich die Schultern. Los! dachte sie. Willst du etwa mit leeren Händen zurückkehren!? Vorsichtig bewegte sie sich bis zur Hausecke.
Und von dort konnte sie ihre Kinder sehen.
Sie spielten mit einem kleinen, bunten Ball. Warfen ihn hin und her. Genauer gesagt: Adam warf ihn, wieder und wieder, und Sharon versuchte, den Ball zu fangen.
»Nein!« rief der Junge seiner kleinen Schwester zu. »Nein, ich sag’s dir doch dauernd – beide Hände hochhalten – doch nicht so!«
Donna starrte. Ihr kleiner Sohn. Gar nicht mehr so klein. Recht groß für sein Alter. Und so schlank. Wunderhübsches Kerlchen. Ein richtiggehender kleiner Mann. Ihr Sohn, gar kein Zweifel. Adam, rief sie lautlos. Mein Baby.
»Kannst du denn nicht hören?« fragte der Junge ungeduldig.
»Glaub ja nicht, daß ich dir das immer und immer wieder sage.«
Er lief auf seine Schwester zu und packte ihre Hände. »So, verstehst du. Und laß sie auch so.« Er hob den Kopf und brach ab. Er hatte Donna erblickt. Starrte sie an. Bewegte sich nicht.
Das kleine Mädchen drehte sich langsam um, sah gleichfalls zu Donna.
Sie blickten einander an, Donna die Kinder, die Kinder Donna.
»Hallo«, sagte Sharon.
»Papi hat gesagt, wir sollen nicht mit Fremden sprechen«, tadelte Adam. Donna spürte die aufsteigenden Tränen. Heulen?
Nein, das kam verdammt noch mal nicht in Frage. Adam spähte beklommen zur Hintertür des Hauses.
»Ich bin keine Fremde«, sagte Donna leise und eindringlich.
»Wie?« fragte er. »Ich versteh nicht, was du sagst.«
Donna sprach ein wenig lauter. »Weißt du nicht, wer ich bin?«
Er war doch alt genug. Ganz bestimmt erinnerte er sich an sie, wenigstens ein bißchen.
»Wer bist du denn?« fragte er und legte wie schützend einen Arm um die Schultern seiner kleinen Schwester.
Donna schluckte hart. Dann kauerte sie nieder, bis sie sich mit den Kindern etwa in gleicher Augenhöhe befand. »Ich bin eure Mutter«, sagte sie. »Ich bin eure Mami.«
Sharons Augen weiteten sich, vor Neugier; Adams Augen hingegen weiteten sich vor Furcht. Unwillkürlich wich er ein Stück zurück. Sharon hingegen blieb, wo sie war.
»Du bist nicht unsere Mami!« sagte Adam abwehrend, trotzig. »Unsere Mami hat uns verlassen. Sie wollte uns nicht mehr haben!«
Donna starrte in seine verängstigten Augen. Wie konnte Victor ihnen so etwas sagen? dachte sie. Wie kann ein Mensch nur so gemein sein? Wie kann ein Mensch nur soviel Haß in sich haben?
»Das ist nicht wahr. Ich habe euch niemals
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