Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
war...«
»Einspruch.«
Zwischen dem Richter und ihrem Anwalt entspann sich ein Juristenkauderwelsch, dann fuhr der Zeuge fort. »Jedenfalls kann ich mich kaum erinnern, daß sie irgend etwas sprach. Blickte ich einmal in ihre Richtung, stand sie immer ganz für sich. Stand einfach so da, einen Drink in der Hand, schien sich überhaupt nicht zu bewegen. Ab und zu nahm sie ein Schlückchen, und im übrigen schniefte sie – sie hatte einen Schnupfen, und ich weiß noch, daß ihr die Nase lief. Unentwegt schien sie ein Papiertaschentuch vor dem Gesicht zu haben.«
Wollen sie mir meine Kinder wegnehmen, weil ich mir mit einem Papiertaschentuch die Nase geputzt habe? dachte Donna fassungslos. Papiertaschentuchkonsumentin – nicht qualifiziert, ihren eigenen Kindern die Nase zu wischen! Ja, gottverdammt noch mal (murmelte sie in sich hinein), wer war es denn gewesen, der nachts um drei aufstand, um ihnen die Nase zu putzen, wenn sie riefen (»Mami, die Nase, die Nase«, hatte Adam stets geschrien, wenn diese sich auch nur anschickte, ein ganz klein wenig zu laufen). Sie hatte ihnen die Nasen gewischt und die Tränen und auch ihre süßen, runden Popos. Irgendwie schien es jedoch pervers zu sein, daß sie sich die eigene Nase wischte, selbst wenn sie einen Mordsschnupfen hatte.
Aber genau das war natürlich der springende Punkt. Sie hatte schon wieder eine Erkältung gehabt. Victor hatte ja bereits davon gesprochen, in welchem Maße sie dafür anfällig sei. Sprach man in einem solchen Fall nicht von »aussagebekräftigenden Indizien«?
Ein Papiertaschentuch, gegen sie in die Waagschale geworfen, die sich endgültig zu ihren Ungunsten senkte?
»Schließlich ging ich zu ihr, um mit ihr ein paar Worte zu
wechseln«, fuhr Danny Vogel fort, »aber es wurde eine ziemlich einseitige Unterhaltung.«
»Können Sie sich noch an Einzelheiten erinnern?«
»Ich sagte ihr, sie sähe reizend aus.« Er ließ ein Glucksen hören. »Sie stimmte mir zu.«
War natürlich idiotisch von mir, dachte Donna.
»Ihre Stimme klang sehr rauh. Sie schien an Laryngitis zu leiden, was bei ihr recht häufig der Fall war. Deshalb nahm ich an, daß das Sprechen sie anstrengte – zumal ich etliche Fragen gestellt hatte, auf die sie keine Antwort gab.«
»Was für Fragen?«
Danny Vogel zuckte mit den Achseln. »Ich erkundigte mich nach ihrem Söhnchen – Adam. Wie es ihm ginge, ob sie ihn in den Kindergarten schicken wolle. Sie antwortete nicht. Sie blickte mich nur so an. Ich erinnere mich, daß sie aussah, als hätte sie Angst...«
»Angst? Wovor?«
»Das weiß ich nicht. Sie sagte nichts.«
»Euer Ehren.« Donnas Anwalt, Mr. Stamler, erhob sich. »Ich vermag beim besten Willen nicht einzusehen, welchem Zweck diese Aussage des Zeugen dienen soll. Wenn es die Absicht der Gegenseite ist, ihn als sogenannten >Charakterzeugen< für Victor Cressy auftreten zu lassen – bitte, wir haben nichts einzuwenden. Was er jedoch bislang in bezug auf Mrs. Cressy geäußert hat, war absolut irrelevant. Aus der Tatsache, daß Mrs. Cressy seine Fragen nicht zu seiner Zufriedenheit beantwortete, zieht Mr. Vogel offenbar den Schluß, ihr Verhalten sei irgendwie ›nicht normal< gewesen. Nun, Donna Cressy hatte eine Erkältung, sie hatte Laryngitis. Fällt ihr Verhalten damit etwa unter die Kategorie >abnorm Disqualifiziert sie das vielleicht als taugliche Mutter?«
»Wenn ich das Gericht um Geduld bitten darf«, warf Ed Gerber ein, bevor der Richter antworten konnte. »Es ist unsere
Absicht, die Relevanz dieser Aussage unverzüglich zu belegen.«
Der Richter setzte eine angemessen skeptische Miene auf, gestattete es dem Anwalt jedoch fortzufahren.
Ed Gerber, augenscheinlich in Gedanken versunken, verzerrte seinen Mund. Als er die nächste Frage dann für sich formuliert hatte, stülpte er seine Lippen vor – gleichsam bereit, Wörter auszuspeien.
»Hat Mrs. Cressys weiteres Verhalten während der Party auf irgendeine Weise dazu beigetragen, in Ihnen Zweifel hinsichtlich ihres Geistes- oder Gemütszustandes zu nähren?«
»Nun ja, so mitten während der Party«, erwiderte Danny Vogel, sorgfältig seine Worte wählend, »änderte sich ihr Verhalten plötzlich total. Es war wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Oder Mrs. Hyde«, fügte er hinzu und lachte leise über seinen kärglichen Scherz.
Niemand stimmte in das Lachen ein, nur Ed Gerber ließ ein Lächeln sehen. »Eben noch hatte sie geschnieft und mit niemandem gesprochen, und im nächsten Augenblick
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