Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
Bonbons austeilst – zumal aufreizend rote«, sagte Mel nachdenklich.
»Nun, ich hatte für aufreizendes Rot schon immer was übrig.« Sofort mußte Donna an Mels und ihr Schlafzimmer denken: rotweiß gemusterte Tapete, entsprechend gemustertes Bettzeug – und so weiter und so fort. Der gesamte Raum, beschloß sie auf der Stelle, würde sofort umgestaltet werden müssen.
»Los doch!« rief Annie.
»Ich werde Annies Sachen holen«, erbot sich Donna. Mrs. Harrison hatte ihren freien Tag; überdies gab ihr das die Möglichkeit,
einer langen Abschiedsszene in der Eingangstür aus dem Wege zu gehen. Als sie mit Annies beiden Koffern (sowie der Tasche voller Spielzeug) erschien, näherten sich die wechselseitigen Umarmungen und Küsse gerade ihrem Ende. Mel nahm ihr die Koffer ab; Kate griff nach der Tasche mit dem Spielzeug.
»Willst du Donna keinen Abschiedskuß geben?« fragte Mel.
»Nein!« erwiderte das Kind prompt.
»Annie!« Ihre Mutter.
»Annie!« Ihr Vater.
»Nein!« Annie.
»Schon gut.« Donna. »Wirklich.«
Mel ging voraus, ging auf den roten Plymouth zu. Kate und Annie folgten ihm. Donna blieb in der Tür zurück. »Einen schönen Sommer wünsche ich«, rief sie hinter ihnen her. Niemand drehte auch nur den Kopf. Sie trat in die Diele zurück. Verdammtes Gör, dachte sie aufgebracht. Hättest mir ruhig einen Abschiedskuß geben können! Wärst bestimmt nicht dran gestorben!
Rund fünf Minuten dauerte es, bevor Donna hörte, wie das Auto auf die Straße fuhr. Zweifellos winkte Mel hinterher, bis der Plymouth entschwand. Eine Minute später trat er dann ein. Inzwischen hatte sich Donnas Verärgerung zum Zorn gesteigert.
»Ich muß in die Klinik zurück...«
»Mach so was nie wieder mit mir!« schrie sie.
»Was?«
»Ich brauchte diese blöde Salbe nicht! Jedenfalls nicht gerade jetzt. Damit hätte es Zeit gehabt!« Sie schleuderte den kleinen Behälter auf die weißen Keramikfliesen. Mel schwieg, ließ sie aussprechen. »Was ist bloß in dich gefahren?« fuhr sie fort. »Hast du nicht das Gefühl, ich hätte in letzter Zeit schon genug durchgemacht? Warst du der Meinung, es würde mich aufmuntern, mit deiner geschiedenen Frau ein halbes Stündchen zu plaudern!? Warum hast du ihr nicht gesagt, daß ich hier wohne? Was
hat dir das Recht gegeben, mit ihr über Adam und Sharon zu sprechen? Machst du dir denn keinen Begriff davon, wie mir so etwas zusetzt? Wie konntest du mir das nur antun!?«
Mel wartete, bis die Zornesröte aus ihrem Gesicht entwich. Dann trat er auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Es tut mir leid«, sagte er leise und drehte den Kopf hin und her. »Es war gedankenlos von mir. Es tut mir wirklich sehr leid.«
Donna, den Kopf an seiner Brust, brach in Tränen aus. »Warum wollte sie mir keinen Abschiedskuß geben, Mel?« fragte sie mit brüchiger Stimme. »Warum wollte sie mir keinen Abschiedskuß geben?«
Der erste Telefonanruf kam um genau drei Minuten nach zwei: an einem Freitag nachmittag, vierzehn Wochen nach Victors Verschwinden.
»Für Sie«, sagte Mrs. Harrison und hielt den Telefonhörer hoch.
In aller Ruhe trat Donna auf den Apparat zu. Schon Wochen zuvor hatte sie jegliche Hoffnung aufgegeben, daß sich am anderen Ende der Leitung jemand melden würde mit einer brauchbaren Information. Der Detektiv, den ursprünglich Mr. Stamler engagiert hatte, war von Mel schließlich »abberufen« worden. Seit Monaten gab es keinen neuen Anhaltspunkt. Alle Straßen führten – ins Nichts. »Hallo.«
»Dachte ich mir doch, daß ich dich dort erreichen würde.«
Donna hatte das Gefühl zu erstarren. Deutlich spürte sie, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht entwich und wie sich, in ihrem Magen, eine Art Knoten zu bilden schien. Sie zwang sich zum Sprechen. »Victor?«
»Du erinnerst dich. Ich fühle mich geschmeichelt.«
»Um Gottes willen, wo bist du?«
»Verlangst immer mehr, als ich dir geben kann«, sagte er resigniert.
»Wo bist du?«
»Wenn du mich das noch einmal fragst, lege ich auf!«
Donna geriet in Panik. »Bitte nicht, leg nicht auf!«
»Du hast genau sechzig Sekunden, um zu fragen, wie es deinen Kindern geht.« Donna konnte geradezu sehen, wie er einen Blick auf seine Armbanduhr warf.
Sie versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. »Wie geht es Adam, wie geht es Sharon?« fragte sie, sich genau an seine Anweisungen haltend.
»Ausgezeichnet«, erwiderte er kalt. »Sharon vermißt dich überhaupt nicht.« Donna dachte an ihr Töchterchen, sah die
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