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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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erwarten.
    «Versteh mich nicht falsch. Die Leute von der Polizeischule sind ein famoser Haufen. Wenn alle so handeln würden, hätten wir in diesem Land nichts mehr zu tun. Mein Platz ist hier, aber deiner nicht», sagte er.
    «Warum hältst du mir diese Predigt? Ich reise morgen ab und habe nicht die Absicht zurückzukommen. Um mich brauchst du dir also keine Sorgen zu machen.»
    «Dann hast du also nicht vor, der Bitte des Leiters der neuen Polizeischule nachzukommen? Er hat dich doch eingeladen, als Gastdozentin an der Schule zu arbeiten.»
    Vala trank seinen Whisky wie Wasser. Äußerlich wies ihn allerdings nichts als Gewohnheitstrinker aus. Keine geplatzten Äderchen im gebräunten Gesicht, keine rote Nase, sein muskulöser Körper war an keiner Stelle aufgedunsen. Als Alkoholiker wäre er seinen Aufgaben auch nicht gewachsen gewesen. Vermutlich war Alkohol nur sein Heilmittel bei Rückschlägen.
    «Vielleicht habe ich die Möglichkeit noch in Betracht gezogen, als wir von der Schule abgefahren sind. Jetzt nicht mehr.»
    «Du bist also doch fähig, dich zu fürchten?»
    «He, Soldat, glaubst du, als Polizistin lernt man das nicht? Wir trainieren das: gesunde Furcht, aber auch die Fähigkeit, trotzdem zu handeln.» Ich trank meinen Whisky ebenfalls zu schnell, obwohl mich der Geschmack an den Geruch der verkohlten Leichen erinnerte. Fremdartige Wörter gingen mir durch den Kopf. Uzuri hatte bei der Eröffnung ein Festgedicht vorgetragen, das sie selbst verfasst hatte. Darin hieß es, die Hoffnung sei wie eine Mohnblume, deren Samen die Vögel weitertragen, und
nanawati
, Vergebung, werde jenen zuteil, die ihre Missetaten vor dem Gesetz sühnen. Die englische Prosaübersetzung des Gedichts steckte in meiner Tasche, Uzuri hatte sie mit einem Kugelschreiber geschrieben, in kunstvoller Handschrift. Wie dachte Vala wohl über
nanawati
?
    «Du weißt bestimmt auch, wie man die Nähe des Todes am besten vertreibt, Kallio.» Vala beugte sich zu mir und berührte mich an der Schulter. «Sex hilft dem Menschen, sich wieder lebendig zu fühlen, er ist wirksamer als Alkohol oder Drogen.»
    Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was Vala sagte, und selbst dann wollte ich meinen Ohren nicht trauen. Ich stammelte, ich sei verheiratet. Das wusste er natürlich.
    «Verheiratet und treu?»
    Ich rückte von ihm ab. Sein Lächeln gefiel mir nicht.
    «Das ist natürlich lobenswert. Und nicht besonders häufig. Rate mal, wie viele meiner Männer feststellen mussten, dass ihre Frau das Warten und den drohenden Tod nicht ertragen konnte und sich jemanden gesucht hat, der bei ihr bleibt? Ich habe meinen Söhnen eingeschärft, sie sollen bloß nicht in meine Fußstapfen treten, aber der jüngere ist jetzt auf der Kadettenschule. Der ältere wird zum Glück Verkehrspilot.»
    Die spitze Bemerkung, wenn ich auf einen Seitensprung aus wäre, würde ich mir dazu auf keinen Fall ihn aussuchen, wurde ich nicht mehr los, denn Vala erhielt einen Anruf. Da das Handynetz nicht zuverlässig funktionierte, hatten die Soldaten Funksprechgeräte. Plötzlich ging mir auf, dass der Bombenanschlag bald in der ganzen westlichen Welt Schlagzeilen machen würde. Ich musste meine Familie wissen lassen, dass ich unversehrt war. Im Hotel gab es zwar ein Fax, doch von meinen Angehörigen besaß keiner mehr ein solches Gerät. Antti hatte eins am Arbeitsplatz, aber dort würde ihn die Nachricht erst am nächsten Morgen erreichen. E-Mails kamen manchmal zügig an, ebenso oft verschwanden sie jedoch irgendwo.
    Valas englischsprachiges Gespräch war kurz und bestand von seiner Seite hauptsächlich aus Verneinungen. Während er sprach, trank ich meinen Whisky aus. Ich wollte schlafen, notfalls mit Hilfe von Tabletten. Vor allem wollte ich Vala loswerden. Als er sein Gespräch beendet hatte, bedankte ich mich für den Whisky und bat ihn zu gehen. Er stand langsam auf und sah mir in die Augen, so tief, dass ich am liebsten den Kopf abgewandt hätte.
    «Ich bin in Zimmer sechsundvierzig, auf derselben Etage. Klopf an, wenn du Hilfe brauchst. Andernfalls sehen wir uns vielleicht beim Frühstück. Numminen bringt dich zum Flughafen, die Franzosen fliegen mit derselben Maschine nach Frankfurt.» Er gab mir die Hand. Beim Frühstück am nächsten Morgen traf ich ihn zu meiner Erleichterung nicht an.
    In der Maschine nach Frankfurt blieb der Sitz neben mir leer: Er war für Ulrike reserviert gewesen. Ich wagte es nicht, während des Flugs etwas zu trinken, ich musste die

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